Andreas Davids von xotox während eines Konzerts.

Musikvorstellung: xotox – Schwanengesang

Foto: Hanny Honeymoon / Avalost

Vor fünfzehn Jahren hob Andreas Davids sein Industrial- bzw. Rhythm-‘n’-Noise-Projekt xotox aus der Taufe. Seitdem hat sich xotox als fester Bestandteil in der Musikwelt all jener, die es gerne mal etwas härter mögen, etabliert. Fünfzehn Jahre, die so manche gute bis sehr gute Platzierung in den Deutschen Alternative Charts gesehen haben, sind schon ein berechtigter Anlass für Feierei. Bei xotox geschieht dies in Form des neuen Albums „Schwanengesang“. So viel kann ich Euch an dieser Stelle schon sagen: Es ist wahrlich ein Schmankerl, das in jede gut sortierte Krachkammer gehört.

Wie schon bei den Vorgängeralben kann festgehalten werden, dass auch die neue xotox-Scheibe einem düsteren, brachialen Electrogewitter gleicht, das sich unaufhaltsam seinen Weg vorwärts sucht. Beinahe wie eine letzte Warnung wirkt das Eröffnungsstück „Kampf ums Licht“, bei dem die rhythmusgebenden Klänge zu Beginn angerauscht kommen wie Dauerfeuerbeschuss aus einem Raketenwerfer. Dazu die üblichen Störgeräusche und ein paar gesamplete Funksprüche. Der Einschlag kommt beim nachfolgenden „Slå Tillbaka“, das dem Hörer noch etwa 40 Sekunden Zeit zur Flucht lässt. Und dann geht es ab. Man sieht das Stroboskopfeuer förmlich vor sich. Und wenn so langsam das wohlige Klingeln in den Ohren einsetzt, folgt auch schon das Titelstück des Albums. Es greift in seinen Sprachsamples, die als Kontrast zu den stampfenden, brachialen Beats und dem tinitusartigen Pfeifen eingestreut werden, genau das auf.

Etwas versöhnlicher geht es bei „Revolution Doesn’t Happen On The Weekend“ zu, bei dem es eher um Melodiebögen als um Geballer geht. Dem gegenüber stehen dann allerdings auch Songs wie das ziemlich heftige „Chaos“, das primär von dem eingestreuten Frauengeschrei und superschneller, ziemlich ausladender Beatsequenzen lebt. Hier streift xotox schon sehr die Grenzen dessen, was sich noch als Musik bezeichnen lässt. Meine persönlichen Lieblinge dieses Albums sind der Tanzflächenfüller „Notwehr“ sowie das fast schon verspielte „Ich-Fremd“, das mittels verzerrten Klaviergeklimpers eine ziemlich unangenehme, ja beinahe unheimliche Atmosphäre erzeugt.

Ohne Namen zu nennen, aber wenn das, was in der Düsterszene oftmals als elektronischer Industrial verkauft wird, schon zu hart ist, dann werden bei xotox’ „Schwanengesang“ wohl die Ohren bluten. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob es sich etwa um musikalische Selbstmordkommandos oder österreichische Albträume handelt. In Anlehnung an eine Werbung für Lutschdropse: ist es zu hart, bist Du zu schwach! Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass es sich bei diesem „Schwanengesang“ nicht tatsächlich um das letzte Werk aus dem Hause xotox handelt, so wie es der Albumstitel aufgrund seiner Begriffsbedeutung implizieren könnte. Mit diesem Album ist dem Schöpfer des „Industrial for Hyperactive People“ betörend-verstörendes Meisterstück gelungen, das gerne weitere Nachfolger nach sich ziehen darf. Nachfolger, keine Nachahmer.

Es tut mir wirklich leid, aber ich muss diese Anekdote schon wieder bringen. Sie passt einfach zu gut. Es begab sich dereinst bei uns im schönen Braunschweig, als im Rahmen eines Festivals eine österreichische Krachkapelle aufspielte, die sich ebenfalls mit dem Etikett Industrial schmückt. Der Frontmann dieser Band, an dem sich innerhalb der Düsterszene die Geister scheiden, fragte sein Publikum, was es denn unter Industrial verstünde. Und so kam, was kommen musste: „Industrial? Hmm … du nicht!“ An dieses hübsche Bonmot eines der anwesenden Gäste damals musste ich bei xotox’ „Schwanengesang“ denken. Auf die Frage, was Ihr unter (elektronischem) Industrial versteht, erwähnt Ihr bitte xotox. Dieses schnuckelige Geballer ist mehr als genug Anlass dafür. Auf die nächsten 15 Jahre!

Cover des Albums Schwanengesang von xotox.
Erscheinungsdatum
24. Mai 2013
Band / Künstler*in
xotox
Album
Schwanengesang
Label
ProNoize
Unsere Wertung
3.8
Fazit
Ohne Namen zu nennen, aber wenn das, was in der Düsterszene oftmals als elektronischer Industrial verkauft wird, schon zu hart ist, dann werden bei xotox' „Schwanengesang“ wohl die Ohren bluten. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob es sich etwa um musikalische Selbstmordkommandos oder österreichische Albträume handelt. In Anlehnung an eine Werbung für Lutschdropse: ist es zu hart, bist Du zu schwach! Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass es sich bei diesem „Schwanengesang“ nicht tatsächlich um das letzte Werk aus dem Hause xotox handelt, so wie es der Albumstitel aufgrund seiner Begriffsbedeutung implizieren könnte.
Pro
Wunderbar hartes, kompromissloses Electro-Geballer...
Kontra
...das allerdings in einigen Momenten hart an der Grenze zum Hörbaren kratzt
3.8
Wertung
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