Ein großer, mittelalterlich anmutender Speisesaal. Lange Bänke stehen darin, an denen viele Menschen sitzen, viele kleine Lichter hängen an der Decke. Am Kopfende eines der Tische macht ein Trio gerade Musik, unter anderem mit einer Gitarre.

Haggis, Whisky und Dudelsackmusik: Zur Burns Night in Schottland

Foto: Roman Empire / Avalost

Gründe, weswegen man mal einen Ausflug nach Schottland unternehmen könnte, ließen sich gewiss so einige finden. Einige davon werden wohl mit der schönen Landschaft zu tun haben, andere mit der Kultur und wieder andere mit den Bräuchen und Traditionen. So wie die Burns Night, was auch der Grund für unseren kürzlichen Ausflug nach Schottland gewesen ist. Ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen: Wer vegan oder vegetarisch unterwegs ist und womöglich noch eine Abneigung gegen Whisky pflegt, hat bei der Burns Night bzw. dem Burns Supper schlechte Karten. Dabei ist so eine Burns Night ein spannender Einblick in schottische Gepflogenheiten, die man als Reisende*r mit einem Interesse an Schottland wenigstens einmal miterlebt haben sollte.

The Forth Inn, mitten in Aberfoyle gelegen, war der Austragungsort der diesjährigen Burns Night. | Foto: Roman Empire / Avalost

Doch, was ist das eigentlich, diese Burns Night? Es handelt sich hierbei um eine Art Volksfest mit festen Ritualen und Abläufen, das alljährlich zu Ehren des schottischen Dichters Robert Burns abgehalten wird. Stets um den 25. Januar herum, denn der gute Mann, Whisky, Weib und Gesang zu Lebzeiten nie abgeneigt gewesen (immerhin Vater von zwölf Kindern – von denen er wusste!), lebte vom 25. Januar 1759 bis zum 21. Juli 1796. Und bei den Angelsachsen werden Gedenktage auf den Geburtstag gelegt, nicht auf das Sterbedatum. Was ja Sinn ergibt, schließlich ist es doch schöner, dass Menschen zu uns gekommen sind, als dass sie von uns gingen. Zu Lebzeiten wird so ein Geburtstag schließlich auch gefeiert, warum also nach dem Ableben damit aufhören?

Der Burns-Klassiker, den die meisten kennen: „Auld Lang Syne“

Na, wie dem auch sei: Robert Burns gilt als einer der größten schottischen Dichter, sein wohl bekanntestes Werk dürfte das Lied „Auld Lang Syne“ sein, das weit über die Grenzen Schottlands hinaus zu Ruhm gekommen ist. Man braucht nur mal kurz bei Spotify & Co. nachsehen, wer sich alles an eine Version dieses Liedes gewagt hat. Die Liste ist recht lang. Und die Wikipedia widmet dem Song gleich einen ganzen Artikel. Burns ungebrochene Verehrung bei den Schott*innen erklärt sich unter anderem dadurch, dass er trotz seines Ruhms nie seine Wurzeln vergessen hatte und sich in seinen Werken nicht nur mit den Sorgen und Nöten des ärmeren Teils der Bevölkerung widmete, sondern zudem für eine sozialere Gerechtigkeit eingestanden ist. Wer zur Zeit rund um den Geburtstag von Burns in Schottland unterwegs ist, kann den Wirbel um besagte Burns Night fast nicht übersehen. Ob das tatsächlich so intensiv gefeiert wird, wie man als Außenstehende*r vermuten kann, weiß ich nicht, aber offensive Werbung in Geschäften, Pubs und Restaurants lassen den Eindruck entstehen, dass die Burns Night von großer Bedeutung ist.

Gemeinsam Musik zu machen und schottische Volkslieder zu spielen, ist elementarer Bestandteil einer Burns Night. Das fängt, wie hier, schon am Vorabend an und ist auch selbst nach der eigentlichen Burns Night noch nicht vorbei. | Foto: Roman Empire / Avalost

Wie anfangs schon kurz angedeutet, sind wir nicht zufällig in eine dieser Burns Nächte reingestolpert und haben uns an Haggis und Whisky gütlich getan, weil das eben gerade so herumstand. Die Familie unserer Polarfüchsin ist seit Jahren mit einigen Schott*innen befreundet und in dieser Verbindung wird die Burns Night jedes Jahr gefeiert. Mit allem, was dazu gehört. Kilt, Dudelsack, Whisky und Haggis inklusive. Manchmal wird in Deutschland gefeiert, manchmal Schottland. In diesem Jahr war wieder Schottland angesetzt, weswegen wir uns kürzlich auf den Weg nach Aberfoyle machten. Aus terminlichen Gründen eine Woche früher, als sonst der Burns Supper gefeiert wird.

Schottisches Winter-Wunderland Aberfoyle

Aberfoyle ist ein entzückender kleiner Ort, eine gute Autostunde nördlich von Glasgow gelegen. Abgesehen davon, dass in direkter Nähe der Loch-Lomond-and-the-Trossachs-Nationalpark ist und dass es sich dort ganz hervorragend wandern lässt (davon haben wir uns während unseres Aufenthalts höchstselbst überzeugt!), ist über Aberfoyle nicht viel zu erzählen. Als wir Schottland erreichten, war das Unwetter, das als Sturmtief Friederike auch über Deutschland fegte, gerade über Schottland hinweg gewesen. Will sagen: Die Fahrt von Glasgow nach Aberfoyle führte über noch ziemlich verschneite Straßen. Überhaupt war Schnee ein großes Thema an diesem Wochenende. Muss man wissen: In Schottland haben sie es nicht so mit dem Freiräumen von Fahrbahnen, wenn es richtig geschneit hat. Räumfahrzeuge, welche die Fahrbahn salzen und die Bahn freimachen, gibt es dort nicht. Da werden über das Radio lieber Reisewarnungen ausgegeben, mit dem Hinweis, Fahrten besser noch eine Weile aufzuschieben. Daran hält man sich entweder oder aber ist sich sicher, sein Auto auch bei Schnee und Glätte im Griff zu haben.

Bezüglich Schottland werden wir womöglich zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Artikel raushauen, daher nur in Kürze: In Aberfoyle bezogen wir ein einfaches, aber feines Zimmer im The Forth Inn, einem der örtlichen Gasthäuser, wo auch die Burns Night stattfinden sollte. Mit einem Preis von 35 Pfund pro Person und Nacht vielleicht nicht die günstigste Bleibe, die man in Schottland bekommen kann, dafür aber inklusive Frühstück – und das war jedes Mal hervorragend! Ach ja, Frühstück: Wenn Ihr Black Pudding bestellt, aber nicht wisst, was das ist, fragt lieber noch mal nach. Nur für alle Fälle. Besonders dann, wenn Eure Ernährung frei von tierischen Produkten ist. Von Freitag bis Montag waren wir in Schottland, zwei Nächte davon gastierten wir im The Forth Inn.

Dem Sturmtief Friederike war es zu verdanken, dass sich die Landschaft in und um Aberfoyle herum als schönstes Winter-Wunderland präsentierte. | Foto: Roman Empire / Avalost

Am Abend des Anreisetags fand im privaten Kreis in der Schenke des The Forth Inn eine Art Aufwärmübung zur nachfolgenden Burns Night statt. Viel Musik, Gesang und noch mehr Bier inklusive. Über eine gewisse Trinkfestigkeit sollte man schon verfügen, wenn man an den
Feierlichkeiten zu Robert Burns teilnimmt. Samstag wanderten wir zunächst durch wunderschönstes Winterwunderland. Es schien so, als wollten Schottland allgemein und Aberfoyle besonders sich von der allerbesten Seite zeigen. Sonnenschein, Windstille und so viel Schnee auf einmal, wie ich ihn seit Kindertagen nicht mehr gesehen habe! Es war nicht weniger als absolut entzückend. Bei so einem herrlichen Wetter wandert man gerne drei Stunden durch hügeliges Gelände. Das weckt neben den Lebensgeistern auch Appetit und Durst – beides würde ich später noch brauchen.

„O Whisky! Seel’ von Spiel und Sang!“

Abends dann aber endlich der eigentliche Grund unserer Anreise. Wie schon erwähnt: Die Burns Night ist durchaus formell, sehr ritualisiert und folgt einem bestimmten Ablauf. Ort des Geschehens war der Festsaal des Forth Inn, und aus irgendeinem Grunde musste ich immer an einen Rittersaal denken. Genug Platz für die irgendwas zwischen 40 und 50 Leute, die wir insgesamt an diesem Spektakel teilgenommen hatten, war jedenfalls vorhanden.

Der Hausherr bzw. Wirt trägt den Haggis herein, begleitet von Dudelsackmusik. Anschließend wird das Gedicht „The Adress to a Haggis“ vorgertragen, der Haggis aufgeschnitten, dann wieder herausgetragen und kurz danach serviert. | Foto: Roman Empire / Avalost

Los geht es mit einem kleinen Schälchen Hühnersuppe, dazu ein Scheibchen Brot. Das ist, was mir neben Bier und Whisky, noch ganz easy die Kehle hinunterging. Anschließend hält jemand eine Rede, es folgt Musik. An Musik mangelt es übrigens den ganzen Abend nicht. Logisch bei einer solchen Veranstaltung. Highlight dieser Burns Night dürfte aber für viele Teilnehmer der Haggis sein. Serviert wird dieses schottische Nationalgericht stets mit Steckrübe und Kartoffeln („neeps and tatties“ genannt) und dankenswerterweise stets gut, wenn nicht sogar scharf gewürzt und in Breiform dargereicht, sodass man im Prinzip ohne groß zu kauen, runterschlucken und mit Whisky nachspülen kann. Ich mache keinen Hehl daraus: Haggis und ich werden keine Freunde, auch wenn ich meine Portion dieses Mal wieder ganz tapfer und unter großer Anstrengung aufgegessen habe. Damit geneigte Leser*innen bei Interesse möglichst unbefangen an so eine Burns Night herangehen können, spare ich mir dazu weitere Details. Nur so viel: Whisky hilft! Nach Robert Burns: Schicksal! Willst du mir geben nur / Keks, heile Hosen, Whisky pur (aus „Scotch Drink“).

Das Hauptgericht und die traditionelle Nationalspeise in Schottland: Haggis. | Foto: Roman Empire / Avalost

Bevor es jedoch soweit ist, wird dieser Haggis zunächst vom Koch auf einer Servierplatte herumgetragen – feierlich von einem Dudelsackspieler begleitet, der traditionsgemäß im Kilt bekleidet zusammen mit dem Koch durch den Ort des Geschehens schreitet. In unserem Falle war das übrigens der Schottenschulle Peter Schultze, ein Berliner Musiker und Dudelsackspieler, der Interessierten auch Unterricht auf der Sackpfeife gibt.

Auf einem Tisch, wo alle Gäste den Haggis sehen können, wird das Burns-Gedicht „The Adress to a Haggis“ vorgetragen. Traditionell macht das der Hausherr bzw. der Wirt, wo die Burns Night durchgeführt wird. Mit den Worten „cut you up wi’ ready slight (dich mit schlichter Gewandtheit aufschlitzen)“ wird genau das getan. Dann wird der Haggis wieder unter Begleitung der Dudelsackmusik aus dem Raum getragen, kurze Zeit später serviert.

Nach dem Haggis ist vor dem Tanz

Nach dem Essen ist der formelle Teil der Burns Night aber noch nicht vorbei. Bis tief in die Nacht hinein werden Lieder, Texte und Gedichte von Robert Burns vorgetragen. So unter anderem eine Erzählung, eindrucksvoll in heimischem Scots rezitiert von einer der Teilnehmer*innen dieses Abends. Ich muss sagen, der Vortrag dieses Textes, mit dem sich ganz bequem 10 Minuten haben füllen lassen, hat mich sehr beeindruckt. Vor, während und nach einem Beitrag wird nicht zu knapp Bier und Whisky konsumiert. So ein Haggis will ja schließlich schwimmen, sag’ ich mal. Dazu noch einmal Burns und sein „Scotch Drink“: „O Whisky! Seel’ von Spiel und Sang! / Empfang ’nes Barden schlichten Dank! Fehlst du, hab’n meine Verse ’n Klang / Wie Trauermärsche! Du nahst – schon rattern sie voll Drang / Wie andern die – – -!“

Der offizielle Teil endet mit dem gemeinsamen Singen des Liedes „Auld Lang Syne“, bei dem alle Teilnehmenden aufstehen und sich über Kreuz die Hände reichen. Du kennst den Text nicht? Macht nix. Mit ziemlicher Sicherheit wird eine Kopie davon schon an Deinem Platz oder in unmittelbarer Nähe bereitliegen. Selbst wenn man den ganzen Abend über keinen Ton von sich gegeben hat – beim finalen „Auld Lang Syne“ ist jeder gefragt. Auch ich, dem gerne nachgesagt wird, „na ja, richtig singen kann er ja nicht“, kam nicht umhin, das kurze Liedchen mitzuträllern.

Mit dem Ende des formellen Teils endet der Abend aber noch lange nicht. Bis tief in die Nacht hinein wird auch weiterhin gemeinsam musiziert, gemeinsam getanzt und, ja, gemeinsam getrunken. | Foto: Roman Empire / Avalost

Ist der formelle Teil des Abends aber erst einmal abgeschlossen, wird nicht sofort das Weite gesucht. Tatsächlich wird dann noch eine ganze Weile in fröhlicher Runde beisammen gesessen, weiterhin musiziert, gesungen, gelacht, mitunter getanzt, gequatscht und getrunken. Ich habe inzwischen zum zweiten Mal an so einer Burns Night teilgenommen. Einmal in Berlin, einmal in Aberfoyle. Und ich muss sagen, dass es definitiv eine sehr unterhaltsame Angelegenheit ist. Es ist toll zu sehen, mit welcher Hingabe die Tradition der Burns Night gepflegt wird. Ob das überall in Schottland so ist – keine Ahnung. Man kommt momentan für sehr wenig Geld rüber auf die Insel, daher: Wer sich für Schottland interessiert oder begeistert, kann sich die Burns Night mal auf die Bucketlist nehmen. Wenigstens einmal mitgemacht haben sollte man das nämlich schon, wenn das Herz Karos trägt.

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