Hinweis: Momentan kann es unter macOS Ventura (13.3) und Safari 16.4 zu Darstellungsfehlern kommen.
Cover der EP Therapy For One von Faderhead.
Foto: Not A Robot Records

Musikvorstellung: Faderhead – Therapy For One

Gesang, Gitarre und Cello - mehr brauchen gute Songs manchmal nicht

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Musikschaffende von Rang und Namen wenigstens einmal im Laufe der Karriere eine Veröffentlichung raushauen, die akustischer Natur zu sein hat. Man denke nur an die „Hansa Session“ von CHVRCHES oder das noch immer ganz fantastische Album „The Anatomy Of Silence“ von Diary of Dreams. Und MTV hat mit MTV: Unplugged ja ein ganzes Geschäftsmodell darauf aufgebaut, Künstler*innen verschiedenster Musikrichtungen ins Studio einzuladen, und diese live und ohne großen Schnickschnack ein paar Songs zum Besten geben zu lassen. Auch der Hamburger Produzent Faderhead, sonst vorrangig bekannt für treibende Tanzflächenfüller, hat sich zum Jahresausklang mit der „Therapy For One“-EP eingereiht in die Riege derer, die mit einer Akustikveröffentlichung überzeugen möchten. Der Name lässt es vielleicht bereits erahnen: Die Motivation geht über „einfach mal machen“ oder „lass mal probieren“ hinaus.

„Dieses Projekt entstand, weil ich in diesem Jahr für 6–7 Monate meine Stimme verlor und langsam anfing, akustische Gitarre zu spielen und zu singen.“ (Faderhead)

Faderhead erklärt die Existenz der vorliegenden 4-Track-EP auf seinen Social Media-Kanälen wie folgt: „Dieses Projekt entstand, weil ich in diesem Jahr für 6–7 Monate meine Stimme verlor und langsam anfing, akustische Gitarre zu spielen und zu singen. Eines Tages stand meine Freundin hinter mir in der Studiotür und begann einfach mitzusingen, als ich „Better“ spielte. Ich habe dann meinen Freund Von Marengo gebeten, diese Songs zu lernen und mit uns zu spielen/singen – und jetzt ist die EP auf euren bevorzugten Streaming- und Download-Plattformen erhältlich“. Weiterhin sagt Faderhead, diese EP sei auch eine Art Geschenk an den Teil seiner Hörerschaft, welcher sich für die Faderhead’schen Balladen genauso wie für die Club Tracks begeistern konnte und kann. Und tatsächlich ist es ein sehr großes Geschenk, dass wir an dieser akustischen Therapiestunde teilnehmen dürfen.

Es ist dies ein Satz, für den ich vorab schon mal einen Groschen ins Phrasenschwein stecke, aber: Akustisch dargebotene Songs sind einfach anders. In jeder Hinsicht. Sie ermöglichen es den Hörenden, altbekannte Songs auf eine ganz neue, möglicherweise ganz ungeahnte Weise kennenzulernen. Sie lenken Gedanken und Träume in Richtungen, in die sich das eigene Denken bei den Originalen niemals bewegt hätten. Neue Interpretationen tun sich auf, neue Ansätze, das musikalische Tun von Kunstschaffenden zu erfassen. Und ein Stück weit lassen Künstler*innen ihre Fans dadurch so viel mehr an den Gedanken und Gefühlen teilhaben, die dereinst zur Entstehung eines Songs beigetragen haben mögen, als es vorher möglich war.

Faderhead - Know Your Darkness - Acoustic Version (Official Music Video)

Beim Klick auf das Video wird eine Verbindung zu Youtube hergestellt und damit Daten an Youtube übertragen. Mehr Informationen in unserer Datenschutzerklärung.

Nehmen wir mal als Beispiel „Better“, vormals ein Duett mit Chris Harms von Lord of the Lost und schon in seiner ursprünglichen Version eine Powerballade mit ordentlich Dampf unter dem Kessel. Hier fehlt der Dampf komplett, Chris Harms auch, dafür wirken Textzeilen wie „I’d rather stay alone / I’d rather stay at home / With that one remaining ghost“ viel intensiver. Ein bisschen Gitare, ein bisschen Cello und vor allem aber Faderheads intensiver, von Melancholie gezeichneter Gesang platzieren Hörenden einen Kloß im Hals in der Größe einer geballten Faust. Gleiches lässt sich über die restlichen Songs übrigens auch sagen. In den stärksten Momenten dieses Kleinods einer EP fühle ich mich etwas an die späten „American Recordings“ von Johnny Cash erinnert, in denen der Man in Black auch nicht mehr brauchte als eine Akustikgitarre, seine (damals schon sehr brüchige) Stimme und das tiefe Verständnis darüber, wie die Welt funktioniert. Und wie man anhand der „Therapy For One“-EP hört, braucht auch Faderhead nicht mehr, um tolle, ergreifende Songs zu liefern.

Normalerweise macht der Faderhead ja Mucke, die ich gerne mal augenzwinkernd mit Synthesizertanzmusik umschreibe. Und meistens bin ich sehr zufrieden mit dem, was da aus Hamburg zu mir herübergeschippert kommt. Faderhead hat sich schon lange einen festen Platz in meinen Playlisten erspielt und ich staune jedes Mal bunte Bauklötze, dass er bisher von Veröffentlichung zu Veröffentlichung immer noch eine Schippe drauflegen konnte. Und so sehr ich die treibenden, tanzbaren Nummern schätze (allein für „The Acid Witch“ gehört ihm ein Orden an die Brust geheftet!), so sehr bin ich auch Fan seiner Balladen. „Every Day Is One Day Less“ von der FH4 beispielsweise oder „The Hope That Kills You“ vom letzten Album „Years Of The Serpent“ – ganz großartig! Und jetzt also diese „Therapy For One“-EP, die vorwiegend dann die größte Wirkung erzielt, wenn man sich ihr in ungestörten Momenten ganz hingeben kann, idealerweise mit Kopfhörern und geschlossenen Augen. Ich beende diesen Artikel mit der Feststellung, dass ich einen weiteren Ausflug Faderheads in akustische Gefilde sehr begrüßen würde. Diese therapeutische Einzelsitzung ist nämlich ein Volltreffer geworden.

Cover der EP Therapy For One von Faderhead.
Erscheinungsdatum
30. Dezember 2022
Band / Künstler*in
Faderhead
Album
Therapy For One
Label
Not A Robot Records
Unsere Wertung
8.1
Fazit
In den stärksten Momenten dieses Kleinods einer EP fühle ich mich ein bisschen an die späten „American Recordings“ von Johnny Cash erinnert, in denen der Man in Black auch nicht mehr brauchte als eine Akustikgitarre, seine (damals schon sehr brüchige) Stimme und das tiefe Verständnis darüber, wie die Welt funktioniert. Und wie man anhand der „Therapy For One“-EP hört, braucht auch Faderhead nicht mehr, um tolle, ergreifende Songs zu liefern.
Inhalt / Konzept
8.5
Texte
8
Gesang
9
Produktion
9
Umfang
5
Gesamteindruck
9
Leserwertung0 Bewertungen
0
Pro
Manchmal braucht ein guter Song einfach nicht mehr als Gitarre, Cello und Gesang, wie Faderhead hier eindrucksvoll beweist
Wer die Balladen von Faderhead schätzt, wird diese EP gewiss lieben
Kontra
8.1
Wertung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert