Die Band Blutengel; Ulrika Goldmann sitzt im Vordergrund, den Kopf leicht auf die linke Hand gestützt, Chris Pohl im schwarzen Anzug dahinter.

Musikvorstellung: Blutengel – Fountain Of Destiny

Foto: Daniela Fischer Photoart

In den vorangegangenen Meldungen, das neue Blutengel-Album „Fountain Of Destiny“ betreffend, hatte ich es schon anklingen lassen, dass es meines Erachtens nur eine Frage der Zeit sei, bis die Berliner Düster-Popper ein ganzes Album voller 80er-Jahre-Cover-Songs auf den Markt bringen würden. Das Interesse an diesem Jahrzehnt zeigte sich immer wieder im Schaffen Chris Pohls; egal ob nun bei Blutengel oder Terminal Choice oder zuletzt auch mit seinem Solo-Projekt She Hates Emotion. Spätestens mit der „Demons Of The Past“-EP wurde mehr als deutlich, dass die Kombination von düster angehauchter Popmusik der Marke Blutengel und Hits aus den 80ern eine gleichermaßen charmante wie unwiderstehliche Mischung ergibt. Schon damals nagte die Erkenntnis: Da muss mehr kommen! Dieses „mehr“ ist seit heute erhältlich. Erfüllt „Fountain Of Destiny“ das Versprechen, das mit „Melancholic Maniac“ (She Hates Emotion) und „Demons Of The Past“ gegeben wurde? Theoretisch könntet Ihr jetzt schon aufhören zu lesen, denn die Antwort lautet ganz eindeutig: ja!

Dass der Duran Duran-Klassiker „The Wild Boys“ hier vertreten sein würde, war irgendwie zu erwarten. Kein gescheites Coveralbum ohne diesen Tanzflächenfüller – oder in diesem Fall Türöffner. Direkt zum Start stellt Chris Pohl klar, dass er im Falle von „Fountain Of Destiny“ keine halben Sachen macht. Blutengel wohnen seit ungefähr immer in meiner Mediathek und immer wieder gab es Zeiten, in denen ich die EPs der Berliner*innen abgefeiert, gleichwohl deren Alben aber eher abgelehnt habe. Ein Wechselbad der Gefühle quasi. Das macht aber nüscht; Chris Pohl wird sicher auch nicht alles gut finden, was ich so mache. Ich erzähle das, weil mich die „Demons Of The Past“-EP sehr überzeugt hat, das zugehörige Album „Un:Gott“ aber nicht. Die Chancen, dass dieses neue Album mich wieder einmal nicht so richtig kicken wird, stehen also grob über den Daumen gepeilt grundsätzlich bei irgendwas um die 50 Prozent. Und dann noch ein Album, das nahezu komplett aus 80er Coversongs besteht! Die Chancen, dieses Unterfangen in meinen Ohren zu versemmeln, standen noch sehr viel höher. Schließlich sind die 80er mir quasi heilig! Aber „The Wild Boys“ geht dermaßen gut nach vorne, dass ich direkt schon nach diesem Auftakt ein wirklich gutes Gefühl für den Rest des Albums entwickelte. Ein Glücksfall, dass sich dieses Gefühl in eine Bestätigung verwandelte.

Alphavilles „Forever Young“ ist schon vorab ausgekoppelt und mit einem Musikvideo bedacht worden. Also keine Überraschungen an dieser Stelle. Es ist ein geschickter Schachzug von Chris Pohl, das Stück in Sachen Tempo und Tonlage auf seine dunkle Stimme anzupassen und nicht zu versuchen, die stimmlichen Höhen eines Marian Golds erreichen zu wollen.

Es folgt Ultravox’„Hymn“. Auch schon diverse Male durch die Coverkiste genudelt worden. Spontan fallen mir Kirlian Camera ein, die daraus eine sehr schwere, sehr bedrückende Nummer gemacht haben, bei der sich Elena Fossi der Stimmgewalt eines Midge Ures geschlagen geben musste. Chris Pohl hingegen versucht gar nicht erst, zu Midge Ure in Konkurrenz zu treten, sondern macht aus „Hymn“ eine flotte, sehr tanzbare und durch und durch gefällige Tanzflächennummer, der im Prinzip nur eine Sache fehlt: die entsprechende Tanzfläche. Wenn man einen Song covern möchte, sollte man wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Sonst kann es passieren, dass man mit seinem Tun Fans verprellt – die eigenen und die des Originals. Nun macht Chris Pohl nicht erst seit gestern Musik und weiß offenbar ziemlich genau, was er mit seiner Stimme anfangen kann und was nicht – und hat auch hier das Original auf gelungene Weise dem eigenen Naturell angepasst. So muss das!

„Down In The Park“. Bereits 1978 dem Geiste Gary Numans entsprungen und seitdem ungefähr drölfhundert Mal durchgecovert worden. Die Versionen von Marilyn Manson und den Foo Fighters dürften zu den populärsten Varianten gehören, zudem wird die Nummer auch gerne mal von anderen Größen live gespielt – so wie von Nine Inch Nails auf deren 2009er Wave Goodbye-Tour, bei welcher übrigens Gary Numan höchstselbst mitgesungen hat und David Bowies früherer Tour-Pianist Mike Garson am Klavier saß. Nun also auch noch eine Blutengel-Version. Hach, dieses Gitarrengeschrammel da lässt mich an selige Terminal Choice-Zeiten denken. Ich hätte nichts dagegen, wenn Chris Pohl dieses Projekt wieder aus der Versenkung herausheben würde.

Und dann folgt das größte Highlight dieses Albums: Ulrikes Version des Heart-Klassikers „Alone“. Dass Ulrike mit einer begnadeten Stimme gesegnet ist, wissen wir längst, und dass sie ganz hervorragend einzusetzen weiß, ebenfalls. Aber das hier, das kickt mich so was von komplett aus den Latschen! Ich möchte mich direkt zu der Aussage hinreißen lassen, dass dies Ulrikes gesanglich bisher sensationellste Leistung im Zusammenhang mit Blutengel darstellt. Unfassbar gut, mein Kompliment an dieser Stelle. Ich mag das Original wirklich gerne, finde aber, dass Ulrikes Cover das Original überragt. Und dass mir ein Cover besser gefällt als das Original … puh, normalerweise müsste es dafür zunächst mal in der Hölle schneien!

Mehr Party war bisher nie bei Blutengel

Und dann kommt Chris mit einem anderen meiner absoluten Lieblingslieder der 80er angeschossen: „Silent Running“, im Original von Mike & The Mechanics. Wieder so eine Nummer, die gut nach vorne geht und unbedingt auf einer Tanzfläche bezappelt werden möchte. Hallo Corona, kannst du bitte mal abhauen? Ich möchte wieder tanzen gehen. Zum Beispiel zu diesem Lied.

Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch die Blutengel-Version von a-has „The Sun Always Shines On TV“. Hier hat Chris mal in anderer Richtung am Tempo gedreht und die eigentlich ziemlich flotte Nummer in ein eher balladenhaftes Gewand gesteckt. Verleiht dem Song eine Extraportion Melancholie und Schwere, was erstaunlich gut ins Bild passt. Abgerundet wird das Album von den Blutengel-Eigenkompositionen „Unsere Zeit“ sowie einer instrumentalen Version von „Journey To The Edge Of The Night“.

Muss man das alles haben? Nö. Will man das haben? Oh aber ja doch! Zumindest dann, wenn man sich für die 80er und/oder gelungene Coversongs begeistern kann. „Fountain Of Destiny“ ist das erhoffte und erwartete Partyalbum geworden, das den Gute-Laune-Pegel massiv anhebt. Einzig, es fehlt noch die Party dazu. Aber das wird auch noch. Bis dahin kann man mit diesem Cover-Album aus dem Hause Blutengel wirklich viel, viel Spaß haben. Nicht zuletzt, weil es den Originalen mit dem nötigen Respekt begegnet und es Ulrike und Chris hier gelungen ist, bei eigentlich hinlänglich bekannten Songs noch neue Seiten aufzuzeigen.

Abschließend habe ich jetzt direkt Bock auf das nächste, reguläre Blutengel-Album, das in diesem Sommer erscheinen soll. Bis dahin aber wird dieses Album hier bei mir so einige Male rotieren.

In einer Sache stehe ich diesem neuen Blutengel-Album ambivalent gegenüber. Einerseits freue ich mich sehr darüber, dass den Berliner*innen auch diese Coversongs ganz hervorragend gelungen sind. Wer die „Demons Of The Past“-EP mochte, wird „Fountains Of Destiny“ lieben. Da ist es fast schon schade, dass Chris und Ulrike nur zehn Songs gecovert haben. Gerne wäre ich noch länger in ihrer Huldigung der 80er verschwunden. Und doch fände ich es gleichermaßen schade, wenn man Blutengel künftig als 80er-Jahre-Coverband betrachten würde. Demnächst werden sie sicher wieder mit eigenem Material um die Ecke kommen. Dennoch dann und wann wieder in das schillerndste Jahrzehnt der Popmusik abzutauchen – dagegen spricht so rein gar nichts. Und nur um das final noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: „Fountain Of Destiny“ bockt maximal!

PS: Hinsichtlich der Wertung habe ich auf eine Punktevergabe für die Texte verzichtet, da sie auf diesem Album mehrheitlich nicht aus der Feder von Chris Pohl und/oder Ulrike Goldmann stammen.

Cover des Albums Fountain of Destiny von Blutengel.
Erscheinungsdatum
12. März 2021
Band / Künstler*in
Blutengel
Album
Fountain of Destiny
Label
Out of Line
Unsere Wertung
4.1
Fazit
In einer Sache stehe ich diesem neuen Blutengel-Album ambivalent gegenüber. Einerseits freue ich mich sehr darüber, dass den Berliner*innen auch diese Coversongs ganz hervorragend gelungen sind. Wer die „Demons Of The Past“-EP mochte, wird „Fountains Of Destiny“ lieben. Da ist es fast schon schade, dass Chris und Ulrike nur zehn Songs gecovert haben. Gerne wäre ich noch länger in ihrer Huldigung der 80er verschwunden. Und doch fände ich es gleichermaßen schade, wenn man Blutengel künftig als 80er-Jahre-Coverband betrachten würde.
Pro
Klassiker der 1980er-Jahre im Soundgewand von Blutengel, das funktioniert erstaunlich gut
Ulrike Goldmanns Version von "Alone" ist überragend, stimmlich war sie besser nie!
Das Album macht schlicht und ergreifend eine ganze Menge Spaß
Kontra
4.1
Wertung
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