Die Band Ostrich. Die beiden Männer stehen sich gegenüber und tragen Sonnenbrillen.

Musikvorstellung: Ostrich – The Ostrich Effect

Quelle: Ostrich / Facebook

Dem Vogel Strauß sagt man nach, dass dieser bei Gefahr gerne mal den Kopf in den Sand steckt. Nicht nur Vogelkundler und Biologen werden bestätigen können, dass das natürlich Unsinn ist. Dieser weit verbreitete Irrglaube hält sich allerdings hartnäckig. Allerdings ist nicht nur Gefahr ein guter Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern auch Musik. Was bliebe uns manchmal alles erspart, wenn uns das möglich wäre! Haken an der Sache: man bekäme es vielleicht dann auch nicht mehr mit, wenn wieder anständige Mucke durch die Gegend schallte. Was das mit Ostrich zu tun hat? Nüscht. Außer der Übersetzung des Bandnamens ins Deutsche sowie daraus resultierende Assoziationen. Kommen wir nun aber zu deren Debütalbum „The Ostrich Effect“, von dem das Label conzoom Records sicher ist, es handele sich hierbei um nicht weniger als DAS Synthpop-Album des Jahres. Aha? Na schauen wir mal.

Kenner und Fans von conzoom wird es nicht überraschen, wenn ich an dieser Stelle verkünde, dass es sich bei Ostrich um ein schwedisches Duo handelt, dass sich ebenfalls auf den Pfaden des Synthpop bewegt. Gerade in letzter Zeit wurden auf dem Rodenberger Label wahre Perlen dieses Musikgenres zutage gefördert – und nicht selten stammten sie aus Schweden. Cinemascape seien hier genannt oder das Trio Moonlight Cove. Die Veröffentlichungen der letzten Wochen/Monate boten Genrefreud*innen definitiv allen Grund dazu, vergnüglich und genüsslich mit der Zunge zu schnalzen. Schließlich bestachen sämtliche Alben des Labels durch eine unwahrscheinlich hohe Qualität, die – wollte man es überspitzt ausdrücken – ein neues goldenes Zeitalter des Synthpop einleiten könnten. Muss sich halt nur herumsprechen. In die Riege hochwertiger Synthpop-Debütalben reihen sich nun auch Marcus Mattsson und Martin Eliasson alias Ostrich aus dem schönen Stockholm ein.

Wer das Tun von conzoom schon seit längerer Zeit verfolgt, hört nicht zum ersten Mal von Ostrich. Bereits im Jahr 2009 wurden die Gehörgänge von Synthpopfreund*innen durch Ostrich umschmeichelt. Seinerzeit lieferten sie mit „Sleepy Angels“ einen Beitrag zur „electropop.2″-Zusammenstellung ab. Für weiteres positives Gerede sorgten ihre Auftritte auf den damaligen, zugehörigen electropop-Festivals. Zwei Jahre später unterschrieben die beiden Herren bei conzoom Records, damit sich das Label um den Vertrieb des Debütalbums „The Ostrich Effect“ kümmere. Was irgendwie konsequent ist. Jedoch weiß man: gut Ding will Weile haben und so verging noch ein weiteres Jahr bis zur Fertigstellung von „The Ostrich Effect“. Die Mühe, welche die beiden Herren dem Album haben angedeihen lassen, hat sich gelohnt. Vielleicht ist es nicht das beste Synthpop-Album des Jahres. Zumal es für eine abschließende Äußerung dieser Art auch noch viel zu früh im Jahr ist. Aber, liebe Freund*innen synthetischer Spielmannskunst, es ist definitiv eines der besten! Nicht nur in diesem Jahr.

Tiefenentspannter Synthie-Pop

Unglaublich entspannt, nicht überproduziert und wunderbar analog kommt „The Ostrich Effect“, mit beeindruckendem Gesang und – typisch schwedisch – absolut treffsicherem Gespür für eingängige, gefällige und mitreißende Melodien daher. Melodien, denen durchaus immer wieder eine melancholische Note anhaftet. Mitunter fühlt man sich in die Mitte der 1980er Jahre zurückversetzt, in eine Zeit, als (die damals noch coolen) Erasure mit Werken wie „Wonderland“ oder „The Circus“ Erfolge feierten. Allein das Eröffnungsstück „A Need To Believe“ gibt nicht nur die Marschrichtung für die kommenden 50 Minuten (verteilt auf 12 Songs) vor, sondern ist gleich zu Beginn eine beeindruckende Kostprobe Ostrich’schen Könnens. Federleichte Harmonien schweben durch den Raum und unterstreichen eine charismatische Gesangsstimme, die sich als eine der momentan spannendsten in der Elektro-Szene entpuppt.

Bemerkenswert auch gleich das zweite Stück des Albums, „Lukewarm”, dessen mitreißender Groove und Klavierelemente zunächst ein bisschen an das erinnern, was ein gewisser Chris Corner unter dem Namen IAMX so produziert. Um das aber mal ganz deutlich festzuhalten: auch wenn im Verlaufe dieses Reviews einige Namen gefallen sind, mit denen sich Ostrich vielleicht vergleichen ließen – der Sound der Band ist sehr eigenständig, fast schon retro. Dieses Duo hier dürfte jeden glücklich machen, der sich für den Synthie-Sound der 80er Jahre begeistern kann. Selbst schuld, wer hier lieber den Kopf in den Sand steckt. Oder andersherum.

Das Jahr ist noch nicht einmal zur Hälfte vorbei und schon lässt sich konstatieren: 2012 ist für Synthpop-Freund*innen ein ganz hervorragender Jahrgang! Ostrich sind ein sehr guter Beleg für diese Feststellung. Wann immer ich dachte, es kann eigentlich kaum noch besser werden, da kommen die Leute von conzoom um die Ecke und ziehen das nächste Ass aus dem Ärmel. Keine Ahnung, wo sie überall graben müssen, um so tolle Bands wie Ostrich ausfindig zu machen. Ich bin allerdings sehr froh darüber, dass sie es tun. Im Refrain von „Lukewarm“ heißt es übrigens: „like a Junkie I need my fix“. Jupp. Und der stammt aktuell von Ostrich.

Cover des Albums The Ostrich Effect von Ostrich.
Erscheinungsdatum
12. Mai 2012
Band / Künstler*in
Ostrich
Album
The Ostrich Effect
Label
conzoom Records
Unsere Wertung
4
Fazit
Um das aber mal ganz deutlich festzuhalten: auch wenn im Verlaufe dieses Reviews einige Namen gefallen sind, mit denen sich Ostrich vielleicht vergleichen ließen – der Sound der Band ist sehr eigenständig, fast schon retro. Dieses Duo hier dürfte jeden glücklich machen, der sich für den Synthie-Sound der 80er Jahre begeistern kann.
Pro
Wunderbar analog, wunderbar retro
Ohrwürmer mit Daueraufenthaltsgenehmigung am Fließband
Kontra
4
Wertung
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