Adam is a Girl, Alex hält Anja ein Mikrofon hin.

Musikvorstellung: Adam is a Girl – Of Daydreams And Nightmares

Foto: Irene Wilhelm

Es ist immer wieder erstaunlich, wie das Leben so spielt. Wie sich Dinge aufgrund getroffener Entscheidungen verändern und eines zum anderen führt. Auch wenn sich die Verknüpfungen manchmal erst rückblickend betrachten lassen. Dazu kann ich Euch ein aktuelles Beispiel aus der eigenen Erfahrung liefern: hätte ich Anfang des Jahres nicht über das aktuelle Silly-Album geschrieben, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ich heute eine ganz fantastische Newcomber Band namens Adam is a Girl vorstellen darf, sehr gering. Das Berliner Duo veröffentlicht am 26. Juni ihr Debütalbum „Of Daydreams And Nightmares“. Mädels, Jungens – darf ich Euch diesbezüglich mal um ein paar Minuten Eurer Aufmerksamkeit bitten?

So war das damals. Kaum war das Review zum letzten Silly-Album im Kasten, erhielt ich Kontakt zum Musiker und Produzenten Bodo Kommnick. Macht zunächst mal gar nüscht, wenn Euch der Name nicht sofort ein geschmeidiges „aaah, jetzt ja!“ entlockt. Bodo ist der Mann hinter Plainmusic Production und hier kommt meine Wette ins Spiel, dass Ihr alle schon mal etwas von ihm gehört habt. Mit Plainmusic kümmert er sich um Produktion, Arrangements, Recordings usw. für verschiedenste Künstler: neben Ich + Ich, Peter Schilling, Karat oder Ute Freudenberg stehen auch Szene-Namen wie die Letzte Instanz, Deine Lakaien, MiLu oder aktuell auch Massiv in Mensch auf der Referenzliste. Und Adam is a Girl, um die es nun nachfolgend gehen soll.

Bei Adam is a Girl handelt es sich um Sängerin und Songschreiberin Anja Adam sowie um Schlagzeuger und Soundtüftler Alex Pierschel. Sie haben die Band bereits im Jahr 2011 ins Leben gerufen, hatten allerdings schon acht Jahre zuvor in einer Band namens Oranged gemeinsam musiziert. Sie positionieren ihr Tun im weiten Umfeld des Dark Pop. Dieser Kategorisierung möchte ich jedoch nur bedingt folgen: ein bisschen poppig, ja, auch ein bisschen düster (im Sinne von melancholisch), auch das, aber irgendwie will es weder in die eine Schublade passen noch in die andere. Es gibt so viele Bands, über die behauptet wird bzw. die es selbst(-bewusst) von sich behaupten, in keine Schubladen zu passen, sondern eigene zu definieren. Oftmals nur dämliches Gebrabbel, um auf sich aufmerksam zu machen. Hier aber passt es.

Ein untrügliches Gespür für tolle Melodien, verpackt in eine großartige Produktion

Leider Gottes nur neun traumhaft schöne Songs serviert das Duo hier, die in jeder Hinsicht von solch einer hohen Güte sind, dass es mir die Schuhe auszieht. Bittersüße Melancholie war selten in so schöne Melodiebögen verpackt wie hier. Es gibt so vieles, was das „Of Daydreams And Nightmares“ auf der Haben-Seite verbuchen kann: die tollen Elektrospielereien im Hintergrund. Die faszinierende Stimme Anja Adams, die manchmal sogar ein kleines bisschen an Björk erinnert. Die inhaltiche Auseinandersetzung mit der widersprüchlichen Gefühlswelt einer jungen Frau von heute, immer im Zwiespalt zwischen süßen Tagträumen und bitteren Albträumen. Alles cool, aber der größte Pluspunkt dieses Albums, jener, der es zu dieser besonderen Düsterpop-Perle macht, das es schlussendlich geworden ist, ist ein anderer. Die live eingespielten Streicherarrangements nämlich, für die das Berlin String Quartet verantwortlich zeichnete. Richtig, genau: Streicher in Songs einzubauen ist weder neu noch ungewöhnlich. Problem aber: entweder sind die Streicherpassagen zu vordringlich und dominieren das Klangbild so sehr, dass die restliche Instrumentierung zu einem Statisten wird. Das klingt nicht selten viel zu sehr nach Brei, als dass man daran wirklich Spaß haben könnte. Oder die Musiker verlassen sich zu sehr darauf, dass sie ihre Mucke mit klassischen Elementen aufgepeppt haben. Hey, hallo, da ist Klassik drin, das ist gefälligst gut! Denkste. Wie gesagt, das geht oft genug in die Hose.

Nicht so bei Adam is a Girl. Auch hier sind die Streicher fester Bestandteil so mancher Songs. Aber nur selten hat sich die Kombination von verspielter Elektronik, gepaart mit sehr dezenten Trip-Hop-Einflüssen und hübschen Streicharrangements so natürlich angefühlt wie in diesem Fall. Sie sind nicht das vordringliche Element in den neun Songs, viel mehr das tragende Grundgerüst. Da echte klassische Instrumente immer dramatisch wirken, verstärken sie hier nur die bittersüße Note des Albums und unterstützen Anjas tolle Gesangsleistung.

Bodo sagte mir kürzlich, viel Mühe sei in die Produktion dieses Albums geflossen. Ich möchte an dieser Stelle nur zu gerne bestätigen, dass sich diese Mühe gelohnt hat. Es ist in jeder Sekunde hörbar, dass hier mit Herzblut und Sachverstand an die Sache gegangen wurde. Jeder Ton wirkt auf den Punkt genau platziert, jedes Instrument, jede Spielerei und jeder dadurch hervorgerufene Effekt sitzt. Bei meinem hohen Musikkonsum passiert es mir immer wieder, dass ich mir Songs oder Alben anhöre und manches Mal denke: joa, sie konnten es vielleicht nicht besser. Nicht hier. Aus technischer Sicht gibt es an dieser dynamischen, druckvollen und klangintensiven Produktion überhaupt nichts zu beanstanden. Ganz im Gegenteil, in Zeiten übersteuerter Produktionen der Marke: „Hauptsache heftig, Klangqualität ist für die Generation iPod eh egal“ geht es als leuchtendes Beispiel voran.

Und Songs wie das unendlich schöne „Your Silence“, das leichtfüßige und eingängige „All Yours“ oder das als Kontrast dazu sehr schwere, düstere „Downstream“ laden zum Träumen und Verweilen ein. Wie auch immer die Schublade für Adam is a Girl heißen mag – ich schließ mich da jetzt ein.

Um die Einleitung an dieser Stelle noch einmal aufzugreifen: ich staune immer wieder über die Verknüpfung von Umständen. Wie Steve Jobs schon sagte: connectig the dots. Wozu etwas gut ist, kann man erst rückblickend betrachten. Ich würde Adam is a Girl heute nicht kennen, wenn … ach, Ihr wisst schon. Ich bin jedoch sehr froh, dieses schnuckelige kleine Album gehört zu haben, um es Euch nun voller Überzeugung ans Herz legen zu können. Ihr werdet in diesem Jahr kein Album mehr mit einem höheren “Haaaaaaaach <3”-Faktor zu hören bekommen. Ich wünsche Adam is a Girl maximale Erfolge für dieses Kleinod und bitte Euch, es Euch zu Gemüte zu führen. Kaufen, hören, verlieben. Danke!

Erscheinungsdatum
26. Juni 2013
Band / Künstler*in
Adam is a Girl
Album
Of Daydreams And Nightmares
Unsere Wertung
4.3
Fazit
Ich bin jedoch sehr froh, dieses schnuckelige kleine Album gehört zu haben, um es Euch nun voller Überzeugung ans Herz legen zu können. Ihr werdet in diesem Jahr kein Album mehr mit einem höheren "Haaaaaaaach <3"-Faktor zu hören bekommen. Ich wünsche Adam is a Girl maximale Erfolge für dieses Kleinod und bitte Euch, es Euch zu Gemüte zu führen.
Pro
Für ein selbst produziertes und in Eigenregie veröffentlichtes Debüt von mehr als konkurrenzfähiger Qualität, auch im Hinblick auf die technische Seite
raumhaft schöne Songs, die stets ein mit bittersüßer Melancholie spielen, ohne dabei in wehleidiges Gesäusel zu verfallen
Mit Anja gewinnt die Musikwelt eine ganz, ganz tolle neue Stimme, der man gerne zuhört
Kontra
4.3
Wertung
Werbung (Affiliate Links)
Vorheriger Artikel

Nine Inch Nails: Neue Single „Came Back Haunted“ digital verfügbar, neues Album „Hesitation Marks“ im September 2013

Nächster Artikel

CHVRCHES kündigen neue Single an und werden bei einigen Shows Vorband von Depeche Mode

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lies als nächstes