Ein schwarz-weißes Foto der Band Pride And Fall.

Musikvorstellung: Pride And Fall – Of Lust And Desire

Quelle: Pride And Fall / Facebook

Faszinierende Sache, diese Zeit. Es gibt Buchautoren, welche die Theorie aufstellen, es gäbe gar keine Zeit, allenfalls Veränderungen (Lesetipp am Rande: Martin Suters „Die Zeit, die Zeit“). Manchmal bin ich geneigt, dieser Theorie zu folgen. Zum Beispiel fällt es mir gerade schwer zu glauben, dass es tatsächlich schon wieder sechs Jahre her ist, dass uns Pride And Fall mit einem Album beglückten. Gefühlt kam „In My Time Of Dying“ gerade eben erst auf den Markt. Es ist wohl aber eher ein Zeichen von höchster Güte, wenn ein Album noch so präsent ist, als ein Zeichen verwirrender Zeittheorien. Wer seinem Kalender vertraut, streicht sich jetzt bitte den 30. August ganz dick an. Dann nämlich veröffentlichen die Norweger ihr neues Album „Of Lust And Desire“. Endlich!

So wie sich Pride And Fall verändert haben. Es ist überliefert, dass sich die drei Herren Ende 2011 getroffen haben und dabei feststellten, dass sie selbst nicht über genügend Freiräume verfügten. Also schufen sie sich welche. Die einzige Möglichkeit, nach einem Überalbum wie dem letzten weiterzukommen. Sechs Jahre nach dem letzten Album sprudeln Pride And Fall förmlich über vor Lust am eigenen Tun. Und das ist in jeder Sekunde hörbar.

Die erste Überraschung gibt es direkt zu Beginn des Albums in Form des sehr düsteren, schweren „Sculptor Of Lust And Desire“. Mit seinen orchestral anmutenden, anklagenden Synthieteppichen würde es auch ganz hervorragend auf ein Arcana-Album, irgendwann um die Jahrtausendwende herum, passen. Krasses Teil mit Oha!-Effekt. Das nachfolgende „Hollow“ stimmt gleich wieder versöhnlich, klingt es doch genau so, wie Pride And Fall seit Anbeginn klingen: tanzbar, futurepopig, düster – gleichwohl eingängig, fesselnd. Spannender hingegen wird es wieder bei „Turn The Lights On“, bei dem einem die peitschenden Synthies nicht nur wie Lasergeschosse um die Ohren gefeuert werden, sondern überdies wieder dieser markante, bedrohlich anmutende Flüster-Schrei-Singsang zum Einsatz kommt. Ganz klar eines der Highlights dieser Scheibe. Hin und wieder wird es auch rein Instrumental, wie etwa bei „The Void“, das wie ein verlorenes Stück des „Blade Runner“-Soundtracks wirkt. Zeit, sich großartig von ausufernden Synthies einlullen zu lassen, bleibt jedoch nicht. Das anschließende „The Comforter“ holt den Zuhörer mit seinen knochentrockenen, stampfenden Rhythmen sofort auf den Boden der Tatsachen zurück. So muss es klingen, wenn Maschinen marschieren. Mit „Fear Your Love“ schaffen Pride And Fall ganz geschmeidig eine DER FuturePop-Hymnen des Jahres 2013, das nicht zuletzt der untergründigen, wabernden Bässe mächtig Eindruck schindet. Mit „Epilogue“ beschließt das Trio ein sensationelles Album mit einem sensationellen Song, der, genau wie die anderen 10 Songs zuvor, gleichermaßen schwermütig und doch unheimlich einnehmend ist. Und dann sind da ja auch noch die wohl echten Drums, die dem Song einen ganz besonderen, sehr schweren Sound verleihen.

Düstere, schwere Electro-Kost

Überhaupt: „Of Lust And Desire“ ist durchaus schwere Kost düsterelektronischer Musik. Das kann empfindliche Menschen schon mal ihre gute Laune kosten. Macht aber nüscht, belanglose gute-Laune-Lala gibt es schließlich wie Sand am Meer, zudem war das noch nie die Baustelle von Pride And Fall. Die immer wieder durchdringende, mitunter negative Konnotation von „Lust und Verlangen“ in den Texten macht es neben der düsteren musikalischen Ausgestaltung nicht besser. Nach sechs viel zu langen Jahren präsentieren die Norweger unterm Strich nicht nur ein Album, das sich wie das dunklere Schwesteralbum des Vorgängers anfühlt und die Zeit, die dazwischen liegt, beinahe bedeutungslos macht. Es dokumentiert viel mehr die Veränderung hin zu noch dunkleren Arrangements. Vor allem aber weckt es das Verlangen, sich diesem Album mit aller gebotenen Lust hinzugeben. Wieder und wieder. Vielleicht lassen sich einige der obigen Fragen anschließend mit einem positiven Ja beantworten.

Um noch mal die Sache mit der Zeit aufzugreifen: „Of Lust And Desire“ fühlt sich wie eine direkte Fortsetzung von „In My Time Of Dying“ an, als wären zwischen beiden Alben nicht 6 Jahre vergangen. Vielleicht existiert Zeit ja tatsächlich nicht, sondern wirklich nur Veränderung. Diese Veränderungen im Sound der Norweger sind deutlich zu hören. Experimentier- und Spielfreude springt einem aus jeder Sekunde förmlich ins Ohr. Und dennoch klingt es nach wie vor unverkennbar nach Pride And Fall. Mit „Of Lust And Desire“ hat das Trio einen weiteren Klassiker geschaffen, der noch präsent sein wird, wenn das nächste Album anrückt. Und dann werden wir uns wieder fragen, wo die Zeit geblieben ist.

Cover des Albums Of Lust And Desire von Pride And Fall.
Erscheinungsdatum
30. August 2013
Band / Künstler*in
Pride And Fall
Album
Of Lust And Desire
Label
Dependent Records
Unsere Wertung
3.9
Fazit
Um noch mal die Sache mit der Zeit aufzugreifen: „Of Lust And Desire“ fühlt sich wie eine direkte Fortsetzung von „In My Time Of Dying“ an, als wären zwischen beiden Alben nicht 6 Jahre vergangen. Vielleicht existiert Zeit ja tatsächlich nicht, sondern wirklich nur Veränderung. Diese Veränderungen im Sound der Norweger sind deutlich zu hören. Experimentier- und Spielfreude springt einem aus jeder Sekunde förmlich ins Ohr. Und dennoch klingt es nach wie vor unverkennbar nach Pride And Fall. Mit „Of Lust And Desire“ hat das Trio einen weiteren Klassiker geschaffen, der noch präsent sein wird, wenn das nächste Album anrückt.
Pro
Wunderbarer, wenn auch deutlich düstererer Nachfolger zu "In My Time Dying"
Kontra
Möglicherweise für manche Fans schwerer zugänglich als frühere Werke der Band
3.9
Wertung
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