Ein Geländewagen steht auf einer Art Feldweg auf Bali. Im Hintergrund sieht man Reisterrassen, der Himmel ist grau und stark bewölkt.

Fahrer und Guides auf Bali, oder: Sparen am falschen Ende

Foto: Roman Empire / Avalost

In Reiseführern liest man es, auf einschlägigen Blogs und in Diskussionsgruppen (etwa auf Facebook) sowieso: Die Balinesen würden bei Waren und Dienstleistungen gerne handeln. Das mag sogar stimmen. Während unseres Aufenthalts auf Bali ist uns jedoch eine Geschichte zu Ohren gekommen, die mich nach wie vor beschäftigt und die ich nachfolgend wiedergeben möchte. Eine Geschichte, die dazu führt, dass man vielleicht hinterfragt, ob Feilscherei wirklich immer angebracht ist.

Will man auf Bali von einem Punkt der Insel zu einem anderen gelangen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Man kann sich beispielsweise ein Fahrrad, Roller oder Auto mieten und sich selbst durch den Verkehr schlängeln. Das ist allerdings wohl eher etwas für die risikofreudigen Bali-Besucher*innen, da der chaotische Verkehr dort nicht so ganz ohne ist. Es scheinen dort alle nach eigenen Regeln zu fahren. Nur ein Moment der Unachtsamkeit und man riskiert schnell mal einen kleinen oder größeren Unfall, wie wir vor Ort selbst beobachten konnten. Man kann sich auch mit einem Bemo (klapprige Kleinbusse, die aber durchaus charmant sind) oder einem Taxi (die Bluebird Group bietet sich da an) durch die Gegend kutschieren lassen. Alternativ kann man aber auch Fahrer oder Guides buchen, die Zahlungswillige für einen Festbetrag überall dorthin fährt, wohin sie möchten und nebenbei womöglich noch Schlenker in weniger touristisch erschlossene bzw. von Touris überrannte Ecken der Insel machen. Um diese Guides geht es mir nun. Wir haben während unseres Aufenthalts derer zwei kennengelernt und ihre Dienste in Anspruch genommen. Das als Bemerkung vorweg: beide Guides waren freundlich, pünktlich, zuverlässig und standen uns jeweils den ganzen Tag zur Verfügung. Und beide hatten auch die jeweiligen Versicherungen, als Guides tätig zu sein bzw. war auch ihr Auto entsprechend gepflegt und gewartet. Wie wir gelernt haben, ist das bei all den potenziellen Guides, die einen unentwegt auf der Straße ansprechen, nicht immer der Fall. Ein wenig Obacht ist diesbezüglich also angebracht.

Eine Seitenstraße auf Abend in den Abendstunden. Laternen leuchten, verschiedene Autos sind am Straßenrand geparkt.
Foto: Roman Empire / Avalost

Der Unterschied zwischen Fahrern und Guides

Übrigens, zwischen Fahrern und Guides besteht ein recht gravierender Unterschied, auf dessen Feststellung die Balinesen auch bestehen. Die Fahrer bringen euch zielgerichtet von A nach B, kennen vielleicht auf eurer Route auch den ein oder anderen Geheimtipp, verfügen jedoch oft nicht über das gleiche Hintergrundwissen (und eventuell auch Englisch- und/oder Deutschkenntnisse) wie Guides. Solltet ihr gezielt nach diesem oder jenem suchen: in Facebook-Gruppen werden gerne und oft entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. Dass wir hier übrigens in der maskulinen Form von Fahrern reden, hat den Hintergrund, dass während unseres Aufenthalts scheinbar ausschließlich Männer diesen Job ausführten. Andere Beobachtungen konnten wir nicht machen.

Guide Nummer 1

Den ersten Guide haben wir von unserem Hotel, dem Bumas in Sanur, vermittelt bekommen. Ein bisschen kauzig war der gute Mann schon; er hatte nämlich die Angewohnheit, immer wieder irgendwelche Pop-Schnulzen aus dem letzten Jahrtausend aufzudrehen und mitzusingen und mitzupfeifen. Dennoch hat er uns zuverlässig zu unseren Wunschorten gefahren und dabei auch die erwähnten Schlenker unternommen. Und auch wenn er uns bei den beiden Touren, die wir mit ihm unternommen haben, Obst, Kaffee und von seiner Frau frisch gebackenes Brot mitgebracht hat – ein bisschen konnten wir uns des Gefühls, gerade Teil einer „Kaffee-Fahrt“ zu sein, nicht erwehren. Was bedeutet, dass wir uns irgendwo ein paar Orchideen oder Holzschnitzer anschauten. Was für uns weitgehend okay war, schließlich wollen ja alle leben. Leidiglich bei den Holzschnitzern fühlten wir uns bedrängt, dort etwas zu kaufen. Immerhin hatten wir ja gerade eine Führung durch die entsprechende Anlage bekommen, erwartungsvolle Blicke desjenigen, der uns alles gezeigt hatte, inklusive. Dennoch sind wir eines Abends mit ihm auf unseren Wunsch hin zu dem Shop seiner Frau in Sanur gefahren, um uns bei ihr mit ein paar Kleidungsstücken einzudecken – obligatorisches Gefeilsche inklusive.

Guide Nummer 2 …

Guide Nummer 2 lernten wir zufällig kennen. Wir hatten gerade irgendwo lecker zu Abend gegessen und wollten den Abend gemütlich in der Musikkneipe Casablanca in Sanur (sehr zu empfehlen übrigens, wenn ihr auf tolle Live-Musik steht!) ausklingen lassen, als uns direkt am Platz neben uns ein freundlich dreinschauender Balinese zuprostete und sich spontan ein Gespräch entwickelte. Im Laufe dieses Abends stellte sich heraus, dass der Mann, mit dem wir uns die ganze Zeit nett unterhielten – und der hervorragend Deutsch gesprochen hatte – ebenfalls als Fahrer bzw. Guide für eines der örtlichen Hotels arbeitete. Angetan von seinem freundlichen Wesen beschlossen wir, eine Fahrt bei ihm zu buchen. Wir sind mit ihm unter anderem zum Mount Batur und nach Amed zum Schnorcheln gefahren.

… und das persönliche Schicksal

Bei diesen Ganztagstouren, für die er jeweils 700.000 Rupien verlangte (was ungefähr 44 Euro entspricht), kamen wir abermals ins Gespräch und er erzählte uns seine Geschichte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Balinesen schnell ihre persönlichen Hintergründe erklären und auch entsprechende Fragen (Seid ihr verheiratet? Warum nicht? Hast du Kinder? Wie viele? Usw.) stellen. So erfuhren wir, dass er Vater von drei Kindern ist. Und dass vor ein paar Jahren seine Frau schwer und unheilbar erkrankte. Die Ärzte haben jedoch scheinbar nie so richtig herausgefunden, was genau das Problem war.

In ihrer Not konsultierten sie irgendwann einen Heiler, der ihnen erklärte, dass die Frau des Fahrers wohl im früheren Leben (die Balineser glauber als hinduistisches Volk an den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt) schlechtes Karma angesammelt habe und die einzige Chance für sie nun darin bestünde, als heilige Frau in einen Tempel einzuziehen und dort den Rest ihres Lebens zu verbringen. Und dort lebt sie nun, quasi als Nonne mit Schweigegelübde. Unser Fahrer hat seine Frau seitdem nicht wieder gesehen. Er erzählte uns, dass er aufgrund dessen ziemlich abgestürzt sei, was nur zu verständlich ist. Die Lust am Arbeiten hätte er verloren, dafür aber viel getrunken.

Eine belebte Hauptstraße auf Bali, neben einigen Autos sind zahlreiche Roller zu sehen.
Foto: Roman Empire / Avalost

Als wir ihn kennenlernten, war er gerade dabei, sich aus diesem Loch, in das er gestürzt war, wieder herauszuziehen. Er wohne immer noch in einem kleinen Dorf im Norden der Insel, aus Arbeitsgründen habe er jedoch ein kleines Zimmer in Sanur. Seine Kinder seien bei Verwandten untergebracht. Das Geld, das er mit den Fahrten verdient, stecke er in die Schul- und Ausbildung seiner Kinder. Sein bescheidener Wunsch, wenn mal etwas Geld übrig sein sollte: eine Gitarre zu besitzen, die schon ab 300.000 Rupien zu haben sei. Nach unseren westlichen Maßstäben nicht viel Geld.

Natürlich werden wir nie erfahren, ob die Geschichte von Guide Nummer 2 so tatsächlich den Tatsachen entspricht. Mit ein bisschen Menschenkenntnis hat man jedoch ein Gespür dafür, wann Menschen aufrichtig sind und wann nicht. Wir hatten jedenfalls keinerlei Gründe anzunehmen, dass uns hier ein Bär aufgebunden wurde.

Die Moral von der Geschichte

Es liegt auf der Hand, dass wir den Preis nicht nach unten verhandelt, sondern stattdessen noch etwas oben draufgelegt haben. Wann immer ich jetzt, nach unserer Rückkehr, in Facebook-Gruppen oder ähnlichem lese, ob man sich nicht für die Fahrt von hier nach da eventuell den Preis für den Fahrer teilen könne oder dass jemand erfolgreich den Preis nach unten gedrückt habe, frage ich mich: muss das sein? Alle, die wir als Urlauber nach Bali reisen, haben offensichtlich das Geld dafür gehabt. Die Fahrer und Guides, die uns dort teilweise die schönsten Plätze der Insel zeigen, werden oft genug ihre Insel mangels Geld niemals verlassen. Wir kennen die Geschichte der jeweiligen Fahrer/Guides nicht. Möglicherweise sind da welche dabei, die sich denken, och na ja, den gutgläubigen Touris lässt sich bestimmt ein Schein zusätzlich aus der Tasche ziehen. Sicher gibt es auch noch mehr als den Fahrer, den wir im Casablanca kennenlernten, der vom Schicksal wirklich gebeutelt wurde und der jeden Rupien gut gebrauchen kann.

Über Schicksale wie die unseres zweiten Fahrers kann man mal nachdenken, wenn man als Bali-Tourist meint, unbedingt ein Schnäppchen bei Dienstleistungen machen zu wollen. Nach dem Geld, was man für einen Urlaub auf Bali auf den Tisch gelegt hat, wäre das Sparen am falschen Ende.

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