„Ich habe eigentlich gar keine Lust, das zu Ende zu lesen!“ – ungefähr so waren meine Gedanken ab ungefähr der Hälfte des Comics „Captain America – Kalter Krieg“, der gegen Ende September bei Panini erschienen ist. Ein Aufeinandertreffen von Steve Rogers, Sam Wilson (zumindest im Marvel Cinematic Universe wohl der neue Captain America) und Bucky Barnes – da kann doch eigentlich nicht so viel schiefgehen, oder? Sollte man meinen, stimmt, leider können auch die in der Theorie besten Voraussetzungen für spannende oder wenigstens unterhaltsame Lektüre gründlich in die Hose gehen. So wie in diesem Fall.
In meiner ersten großen Comic-Phase vor über 20 Jahren empfand ich Captain America – ähnlich wie Superman – als ziemlich öde Comicfigur. Nicht nur des Namens wegen war mir das stets zu patriotisch eingefärbt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Captain America Anfang der 1940er-Jahre erst einmal als Propagandafigur geschaffen wurde. Inzwischen habe ich mit der Figur meinen Frieden gemacht; einen sehr wesentlichen Anteil daran hat die MCU-Interpretation und die Verkörperung durch Chris Evans. Das reicht sogar so weit, dass Cap heute als ca. 30 cm große Figur der Firma Hot Toys bei mir wohnen darf. Leider reicht das aber alles nicht, um diesen speziellen Comic zu retten.
Die Handlung ist wirr – und für mich, der hier quasi ins kalte Wasser gesprungen ist, kam andauernd der Eindruck auf, irgendwelche ganz wesentlichen Informationen verpasst zu haben. Als wäre „Kalter Krieg“ der Abschluss eines Handlungsbogens, zu dem mir der Rest fehlt. Wenn dem so ist, lasst mir gerne einen entsprechenden Kommentar da, mit welcher Lektüre ich eventuelle Wissenslücken füllen kann. Aber selbst als Finale wäre das Gebotene reichlich schwach. Darum geht es: Seit mehr als 100 Jahren wird Gedeih und Verderb der Menschheit von einer Loge namens Der Äußere Kreis gesteuert. Da sind also Figuren dabei, die sich „die Macht“ oder „das Geld“ nennen und dabei ein klitzekleines bisschen an Figuren aus Neil Gaimans „American Gods“ erinnern, so wie „der technische Junge“ oder „Media“. Da hätte man was draus machen können. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Leider versteigt sich dieser Comic in eine wirre, unlogische und ziemlich beknackte Handlung, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt, dass sich Captain America in Gestalt von Steve Rogers, sowie Captain America alias Sam Wilson (immerhin in dem ultracoolen, weißen Suit, so wie er in der Marvel-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ zu sehen war) nebst Begleitung durch die Panels prügeln – zwischendurch NATÜRLICH auch gegeneinander, anstatt miteinander! –, um irgendwie den White Wolf an einer Invasion zu hindern und nebenbei den Sohn von Steve, Ian, zu retten. Keine Geschichte, an die man sich lange erinnern wird. An den Rest auch nicht. Die Zeichnungen gehen weitgehend klar, wenn auch mir Steve Rogers viel zu bullig dargestellt wird – ganz gleich, von welchem der drei beteiligten Zeichner*innen er umgesetzt wurde. Die Farben sind schön bunt und Popcorn und insgesamt geht da ziemlich die Post ab. Alles in allem ist „Captain America – Kalter Krieg“ aber weder ein Comic, den man zwingend in die eigene Sammlung überführen, noch einer, den man unbedingt gelesen haben müsste. Und Sam Wilsons cooles Outfit allein reißt es eben auch nicht raus. Nee, nee – da hat Panini deutlich heißere Eisen im Feuer.