Als Spider-Man-Fan ist man derzeit ganz gut versorgt, was Materialnachschub rund um den populären Wandkrabbler – sei dies nun Peter Parker oder Miles Morales – angeht. Der coole Animationsfilm „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ ist mittlerweile für den Genuss zu Hause erhältlich, die ersten, von Hot Toys angekündigten Figuren zum neuen Videospiel-Blockbuster „Marvel’s Spider-Man 2“ tauchen so langsam bei ersten Konsument*innen auf und auch besagtes Videospiel selbst ist seit ein paar Tagen am Start – und wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, ein wahrer Traum für Fans von Spider-Man und großartigen Videospielen gleichermaßen! Dass Panini Comics kürzlich „Miles Morales – Spider-Man 1“ (Untertitel: „Im Visier“) veröffentlichte, ist im Hinblick auf den Veröffentlichungszeitraum möglicherweise kein Zufall. Passt jedenfalls sehr gut rein in die aktuelle Spider-Man-Welle. Lasst uns mal einen Blick auf das vorliegende Softcover-Büchlein werfen.
Ich mag Miles Morales. Meiner langjährigen Comic-Abstinenz ist es geschuldet, dass ich diesen zweiten Spider-Man erst durch das Videospiel „Marvel’s Spider-Man: Miles Morales“ kennengelernt habe. Dass die Figur bereits 2011 von Brian Michael Bendis und Sara Pichelli, zunächst als Parallelweltfigur, eingeführt wurde, habe ich quasi erst durch nachgeholte Hausaufgaben gelernt. Und auch wenn die charakterlichen Hintergründe der Figur prinzipiell dem Original Peter Parker nicht unähnlich sind (junger Mann wird von radioaktiv verseuchter Spinne gebissen, bekommt dadurch Superkräfte und muss fortan den Spagat zwischen Superheldentum, Schule und Privatleben bewältigen), hat man sich für Miles Morales dennoch ein paar spannende Twists einfallen lassen. So ist Miles beispielsweise ein Teenie aus Brooklyn, ein Schwarzer noch dazu, und hat schon aufgrund der leider ewig aktuellen Hautfarbenthematik ein anderes Standing in der Welt als der grundsätzlich privilegierte Peter Parker.
Dieser erwähnte Spagat – und der Druck, der dadurch auf Miles’ Schultern lastet – ist im Prinzip auch das Kernthema des vorliegenden Comics. Dass sich Miles hier zunächst mit dem Scorpion prügelt … – ich schätze, permanentes Verprügeln von Superschurken muss einfach sein bei Superheldencomics mit Fokus auf viel und vor allem filmisch inszenierte Action. Als Schüler der Brooklyn Visions Academy strauchelt Miles ganz schön mit seinem Doppelleben, was nicht nur zu eher mäßigen schulischen Leistungen führt, sondern nach einem Wortgefecht mit einem Lehrer auch zu einer Suspendierung. Im Verlaufe der Handlung tritt neben der Ermittlerin Misty Knight, die Miles Morales ein bisschen unter ihre Fittiche nimmt, auch eine junge Frau auf den Plan, die – ähnlich wie Miles – nicht zur weißen Oberschicht gehört. Und die sich aber aufgrund ihrer gefestigten Ansicht, Miles würde seine Chancen verspielen (die Möglichkeit, die Brooklyn Visions Academy zu besuchen, wurde quasi ausgelost, Leistung oder Noten im Vorfeld daher völlig irrelevant), in einen fatalen Wahn hineinsteigert, der – fast schon obligatorisch – dafür sorgt, dass die Fetzen fliegen.
Die erste Ausgabe von „Miles Morales: Spider-Man“ ist unterhaltsam und kurzweilig und dank der tollen, dynamischen Zeichnungen von Federico Vicentini auch sehr rasant. Bisschen wie das weiter oben erwähnte Videospiel, nur eben zum Lesen. Dass es letztlich auf das scheinbar übliche, gegenseitige Fresse polieren hinausläuft, ist okay – schließlich ist das ein Actioncomic, keine schöngeistige Literatur. Zumal Autor Cody Ziglar ein paar durchaus sehr interessante und spannende Aspekte in die Handlung eingebaut hat, die, wie so oft bei Comics rund um die beliebten Wandkrabbler, mit deren Privatleben zu tun haben. Oder, wie hier, mit gesellschaftlich fragwürdigen Dingen. Dass beispielsweise ausgerechnet eine Lotterie entscheidet, ob junge Menschen, die nicht zur weißen Upperclass gehören, Zugang zu einer besseren Bildung und damit später besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, und somit gegeneinander ausspielt, wer im Team vielleicht besser funktioniert hätte, ist nicht ohne Wucht. Und so weit hergeholt ist das nicht; wer hierzulande beispielsweise sein Kind auf einer privaten Grundschule anmelden möchte, sieht sich mitunter auch Situationen gegenüber, in denen mehr als 300 Bewerbende um 80 zur Verfügung stehende Plätze rangeln. Es ist dies ein real existierendes Beispiel aus der Stadt, in der ich lebe. Da muss man sich auch was einfallen lassen und nicht selten dürfte hier auch das Los entscheiden. Diese Dinge jedenfalls sind es, die der Handlung eine gewisse Tiefe verleihen.
Unterm Strich ist „Miles Morales: Spider-Man 1“ ein gelungener Auftakt zu einer neuen Serie, die viel auf der Habenseite verbucht und sich eigentlich keine wirklichen Schwächen erlaubt. Und selbst dann, wenn nur die Fetzen fliegen, dann tun sie es doch auf sehr filmreif in Szene gesetzte Art und Weise. Grundsätzlich ist dieser Comic übrigens auch ein guter Einstieg in die Welt von Miles Morales für alle, die vielleicht erst durch das aktuelle Videospiel „Marvel’s Spider-Man 2“ auf den zweiten Spider-Man aufmerksam geworden bzw. generell ganz frisch an Bord gekommen sind. Der nächste Band soll bereits am 19. Dezember 2023 erscheinen, dann mit Carnage als angekündigten Widersacher für den jungen Spider-Man. Ich weiß jetzt schon, dass ich mir für die Lektüre dieses Bandes dann Popcorn besorgt haben werde!
