Damals™️, in meiner Sturm- und Drangphase, gab es so ein paar Sätze, die irgendwie mit mir verbunden waren. So zum Beispiel: Ich trinke manchmal gern ein Bier, höchstens zwei oder sieben. Oder: Bier ist mein Lieblingsbier. Und warum ich über Jahre den Beinamen Becks-Männchen hatte, ist mir an dieser Stelle natürlich auch vollkommen unklar. Na, wie auch immer: Ich mag Bier. Und als ich die Bestellungen der Rezensionsexemplare für das letzte Quartal des vergangenen Jahres fertig gemacht hatte, fiel mir ein Titel aus dem Hause Panini Comics aus naheliegenden Gründen direkt ins Auge: „Bier – Die Graphic Novel“. Dass ich mich erst jetzt damit befasse, liegt primär daran, dass mich dieser schicke Hardcover-Band erst kurz vor dem Jahreswechsel erreichte. Eine Sache kann ich schon mal vorwegschicken: Dieses Buch spricht mehrere Zielgruppen an: Biertrinkende, Comic-Fans und Menschen mit einem Interesse an Geschichte. In Anlehnung an eine frühere Werbung für Überraschungseier: Das sind ja gleich drei Sachen auf einmal! Das geht doch nun wirklich nicht! Oh doch, und wie das geht!
So lange wie ich mich auf eine Art mit Comics beschäftige, die über den reinen Konsum hinausgeht – was inzwischen mehr als ein Vierteljahrhundert ist – ist es mir immer wieder begegnet, dass es Menschen an Fantasie fehlt, sich vorzustellen, dass bunte Panels für mehr taugen, als dass sich darin irgendwelche Typen mit dem Schlüpper über der Strumpfhose gegenseitig die Kauleiste verbeulen. Ich merke immer wieder, dass – vermutlich nicht zuletzt aufgrund mangelnder Erfahrung diesbezüglich – zunächst mal geargwöhnt wird, wenn ich erkläre, dass Comics nicht nur wirklich großartige Geschichten erzählen, sondern auch für die Vermittlung von Informationen und Wissen dienlich sein können. Ein Paradebeispiel dafür ist Scott McClouds Klassiker „Comics richtig lesen“, schon mehr als 20 Jahre alt, das auf sehr kluge Weise erklärt, wie Comics funktionieren, vom Verstreichen der Zeit zwischen zwei Panels bis hin zur vierten Wand. In Japan ist man da weiter, dort dienen Mangas auch als Kochbücher oder Bedienungsanleitungen. Und das ganz selbstverständlich und ohne, dass da noch jemand drüber nachdächte. Aber auch in der westlichen Welt gibt es immer wieder neue und ganz tolle Werke, die schnell die üblichen Klischees und Vorurteile vom Tisch fegen. So auch das vorliegende Buch.
Nun könnte man annehmen, dass sich eine Graphic Novel, die dem Gerstensaft gewidmet ist, eine Glorifizierung des Alkoholkonsums sei. So wie es in der Literatur beispielsweise „Die feine Art des Saufens: Ein Handbuch für den modernen Trinker“ von Frank Kelly Rich gibt. Alles mit einem Augenzwinkern versehen, klar, aber inwiefern das nötig und/oder unterhaltsam ist, müsst Ihr mit Euch ausmachen. „Bier – Die Graphic Novel“ macht keinen Hehl daraus, von Menschen gemacht worden zu sein, die dem Gerstensaft ebenfalls sehr zugeneigt sind, legt aber den Schwerpunkt eindeutig auf die Übermittlung von (historischen) Informationen. So wird unter anderem seitenweise der Brauprozess erklärt, wie sich dieser in den Ländern der Welt unterschiedlich entwickelte und wie der Mensch überhaupt erst auf die Idee kam, Bier zu trinken. Und auch, dass dieses Gesöff schon ein paar tausend Jahre die Menschheit begleitet, es sich aber nicht mehr genau nachvollziehen lässt, wann Menschen zum ersten Mal ihrem stechenden Bierdurst nachgegeben haben. Ferner erfährt man viel über die Craft-Bier-Szene und stolpert in den 180 Seiten von einem Aha-Erlebnis zum nächsten. Und das passiert in hübschen, detaillierten Zeichnungen von Aaron McConnell, an die man natürlich andere Maßstäbe anlegen muss, als einen etwa an einen actiongeladenen Superhelden-Comic, bei dem deutlich mehr die Post abgehen muss. Zu verstecken braucht sich dieser Comic aber definitiv nicht.
Somit bleibt letztlich festzuhalten, dass „Bier – Die Graphic Novel“, geschrieben von Mike Smith und Jonathan Hennessey, für Bier-Fans eine unterhaltsame Lektüre ist, Menschen mit Geschichtsinteresse ziehen sich vermutlich so manch spannende Information aus diesem Buch, die sie vorher nicht kannten und Comic-Fans bekommen hier möglicherweise eine willkommene Abwechslung geboten. Tatsächlich muss man selbst weder Bier trinken noch mögen, um sich von diesem Comic gleichermaßen unterhalten und informieren zu lassen. Von den Menschen dahinter würde ich mir gern weitere, ähnlich gelagerte Werke wünschen. Nicht zwingend rund um alkoholische Getränke, aber so generell. Sie haben es nämlich verstanden, selbst trockenste Materie (und der Brauprozess selbst ist meines Erachtens halt einfach eher so semi-spannend) kurzweilig und unterhaltsam umzusetzen. In diesem Sinne: Prost!