Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.

Halb Mensch, halb Maschine, ganz viel Ballerspaß alter Schule: „RoboCop: Rogue City“ angespielt

Foto: Teyon / Nacon

Als ich den 1987 erschienen Sci-Fi-Actionkracher und längst zum Kult avancierten Film „RoboCop“ das erste Mal gesehen hatte, war ich sicherlich vieles – nur ganz gewiss noch nicht in dem von der FSK vorgesehenen Alter. Es muss in den frühen 1990ern gewesen sein und es dürfte sich um eine Schnittfassung gehandelt haben, die damals im Fernsehen gezeigt wurde. Zum Glück, möchte ich heute sagen, denn die von Regisseur Paul Verhoeven ursprünglich inszenierte Fassung, die mittlerweile nicht mehr auf dem Index steht, ist an Grausamkeit und Brutalität stellenweise kaum noch zu überbieten. Und hätte mich vermutlich nachhaltig traumatisiert! Die – man kann es kaum anders nennen – bestialische Hinrichtung von Polizist Alex Murphy, der kurz danach als Mensch-Maschine RoboCop wieder auferstehen sollte, sowie die kaum weniger brutale Fehlfunktion eines ED-209 Polizeiroboters gegen Ende des Films sind, obwohl man den Effekten das Alter und das geringe Budget des Films mittlerweile ansieht, auch heute noch nur schwer zu ertragen. Dennoch hat sich der Film sowie die coole Figur in mein Fanboy-Herz geschlichen und hat, neben dem Terminator, auf meiner ewigen Favoritenliste einen Platz sicher. In der Tat warte ich gerade auf Hot Toys’ Figur zum dritten Film im Maßstab 1:6, die dankenswerterweise mit dem Antlitz von Peter Weller daherkommt, der den metallischen Polizisten in den ersten beiden Filmen darstellte. Und als Fan speziell des ersten Films gibt es seit ein paar Tagen noch einen weiteren Grund zum Frohlocken: das Videospiel „RoboCop: Rogue City“. Ich habe mich mal ein bisschen durch good old Detroit geballert.

„Robocop: Rogue City“ knüpft inhaltlich an den zweiten Teil an. Das heißt, Alex Murphy ist seit geraumer Zeit als RoboCop für die Detroiter Polizei im Einsatz, stets unter argwöhnischer Beobachtung durch seine Herstellerfirma Omni Consumer Products, kurz OCP. Die, soviel weiß man inzwischen, sich von RoboCop gewünscht hätten, er wäre eine seelen- und willenlose Figur in ihrem perfiden Plan, Detroit zu planieren und stattdessen Delta City zu errichten. Eine Wohngegend für Reiche, in der Normalsterbliche genauso außen vor sind wie das Verbrechen, das OCP zu bekämpfen vorgibt. Die Boddicker Bande ist genauso tot wie Cain, der Bösewicht aus Teil 2, der kurz mal als Nachfolger RoboCop 2 gehandelt wurde. Nuke, die Designerdroge, ist immer noch ein Problem und OCP ist stets bestrebt, Detroit platt zu machen zugunsten von ebenjener Delta City. Die Polizei wird den Verbrechen kaum noch Herr, steht kurz vor dem Streik – und eine japanische Firma denkt mittlerweile auch schon lautstark über eine Übernahme von OCP nach. Was in dem ziemlich bananigen „RopoCop 3“ ein Thema wird.

Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Foto: Teyon / Nacon

In dieses Setting also werden Spielende vom polnischen Entwicklungsstudio Teyon Games geschmissen, um als Alex Murphy/RoboCop folgende Dinge zu tun: 1.: Dem öffentlichen Vertrauen dienen. 2.: Die Unschuldigen beschützen und 3.: Das Gesetz aufrechterhalten. Die klassischen Hauptdirektiven, die OCP ihrem Produkt mit auf den Weg gegeben hat. Nun wäre „RoboCop: Rogue City“ vermutlich kein Spiel geworden, wenn sich Teyon nicht einen neuen Finsterling ausgedacht hätte, der angetreten ist, den Menschen in Detroit das Leben noch schwerer zu machen als so schon. Und ohne noch mehr von der Handlung, die sich über eine Spieldauer von rund 15 Stunden (auf normalem Schwierigkeitsgrad) erstreckt, verraten zu wollen: Dass hinter alledem noch ein größerer Plan steckt und OCP bis in die höchsten Ebenen hinein ebenfalls mit drinnen steckt in alledem, braucht eigentlich gar nicht weiter erwähnt werden, was?

Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Foto: Teyon / Nacon

Aus spielerischer Sicht präsentiert sich „RoboCop: Rogue City“ als das, was man vermutet, erwartet und sich als Fan wahrscheinlich insgesamt seit Jahren gewünscht hat: als First-Person-Shooter ganz alter Schule. Das heißt, man schlüpft in die Rolle von Alex Murphy und nimmt das Geschehen durch seine Augen wahr. Oder besser: durch seinen Visor. Eines der vielen, vielen Details, mit denen Teyon ihre Hingabe und Leidenschaft für das Projekt demonstrieren, ist die sogenannte RoboVision, die sich auf Tastendruck aktivieren lässt und die beispielsweise Feinde mit einer grünen Umrandung vor ihrer Umgebung hervorhebt. Diese RoboVison hat die gleiche, grünstreifige und bisschen an alte VHS-Videos erinnernde Optik wie im Film. Überhaupt hat sich Teyon außerordentlich gründlich darum bemüht, möglichst viel Flair des ersten Films ins Spiel zu übertragen. Das Geräusch von RoboCops Gestapfe beim Laufen, die detailverliebten Settings, die Spieler*innen direkt ins Jahr 1987 katapultieren, Robos Ballermann in Form der Auto-9, viele bekannte Charaktere aus dem Film und nicht zuletzt Peter Weller höchstselbst, der RoboCop hier seine Stimme lieh – an nostalgischem, wirklich liebevoll gemachtem Fanservice mangelt es dem Spiel nicht. Auch nicht an Brutalität. Wie in der Vorlage ist es auch hier so: Da wo RoboCop hinballert, wächst kein Gras mehr. Körperteile und Köpfe lassen sich effektvoll abschießen und für eine kurze Weile nach einem Gemetzel säumen viel Blut und jede Menge Gore die Szenerie. Die Altersfreigabe ab 18 Jahren ist auch hier mehr als gerechtfertigt.

Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Foto: Teyon / Nacon

Ein bisschen fühlt sich die Steuerung von RoboCop so an, wie in den frühen Tagen der Shooter, als man zwar schon in alle Richtungen gucken, aber noch nicht springen konnte. Das kann RoboCop nämlich wenig überraschend auch nicht. Teyon schaffen den Spagat, dass sich die Steuerung von RoboCop so schwer und wuchtig anfühlt, wie man es vermuten würde, befände man sich selbst in einem tonnenschweren Metallkörper, gleichzeitig aber immer noch flott genug, damit der Spielspaß nicht darunter leidet. Wuchtig fühlen sich auch die verschiedenen Waffen an, allen voran natürlich die Auto-9. Im Laufe des Spiels wird RoboCop so einige, von Gegnern fallengelassene Waffen aufheben und verwenden können. Jede einzelne fühlt sich anders an und kommt mit dem entsprechenden Bumms um die Ecke. Letztlich werden die meisten Spieler*innen aber vermutlich an Robos Standard-Knipse hängen bleiben. Die lässt sich im Verlaufe des Spiels modifizieren, sodass es im Endgame möglich ist, Dauerfeuer zu geben – ohne auch nur einmal nachladen zu müssen. Der Supercop, der Robo dann durch die ebenfalls integrierten Fähigkeitspunkte eines recht einfach gehaltenen Talentbaums bekommen hat, zaubert, das muss ich zugeben, einfach ein ultrabreites Grinsen auf mein Fan-Gesicht. Das ist dann so überzogen und stumpf, dass es schon wieder gut ist. Und kommt damit der Vorlage sehr nahe. Die Gegner-KI ist in dem Zusammenhang nicht der Rede wert. Geradezu mit Vorliebe scheint sich alles direkt in die Flugrichtung der Kugeln werfen zu wollen. Und auch ED-209, mit dem man es ebenfalls zu tun bekommt, ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, gleicht das aber durch schiere Feuerpower wieder aus. Eben so wie in der Vorlage.

Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Foto: Teyon / Nacon

Damit „RoboCop: Rogue City“ aber nicht zu einer reinen Ballerbude verkommt, was auf Dauer ziemlich eintönig und wenig motivierend wäre, haben die Leute von Teyon dem Spiel ein paar leichte Rollenspielaspekte angedeihen lassen. Will sagen: Zwischen den Missionen patrouilliert man als RoboCop durch ein ziemlich heruntergekommenes, überschaubar großes (also kleines) Gebiet von Detroit und erledigt diverse kleinere Nebenquests. Das sind manches Mal Ermittlungen in Mordfällen, manchmal schiebt man Dienst auf dem Polizeirevier und nimmt Beschwerden/Anzeigen entgegen – und manchmal verteilt man Strafzettel wegen Falschparkens. Zudem haben viele Entscheidungen, die man in den Dialogen trifft, eine Auswirkung darauf, wie sich die Welt im Abspann präsentiert. Das ist alles nicht überragend und auch nicht weltbewegend, aber meines Erachtens bereichert es das Setting ungemein und lockert den Spielfluss enorm auf. Als reine Ballerei würde das Spiel, aller Anleihen an die Shooter früherer Tage, vermutlich zu wenig bieten. Mit diesen Abwechslungen aber wirkt das für mich stimmig. Alex Murphy/RoboCop wird dadurch auch irgendwie greifbarer.

Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Foto: Teyon / Nacon

Ich erwähnte schon, dass „RoboCop: Rogue City“ unfassbar viel Liebe zum Detail beweist. Wer den Film gesehen hat, wird so viele Dinge wieder entdecken, dass es eine wahre Freude ist. Und doch, rein objektiv betrachtet, hat das Spiel Defizite, die man – würde man nach Haaren in der Suppe suchen – durchaus ankreiden könnte. Neben dem verhältnismäßig einfachen Gameplay sind es ein paar technische Dinge, die auffallen. So wird das Spiel mit der Unreal Engine 5 betrieben. Theoretisch ein wahres Powerhouse, das nicht zuletzt durch die „The Matrix Awakens“-Demo gezeigt hat, was da künftig mindestens zu erwarten sein kann. „RoboCop: Rogue City“ sieht dadurch in einigen Teilen wirklich sehr hübsch aus. Gerade wenn man durch den Steinbruch latscht oder, gegen Ende, in einem nächtlichen Detroit unterwegs ist, das buchstäblich in Flammen steht, dann zeigt die Engine, was sie kann. Dass die Entwickler einige der Standard-Assetts (Texturen, Objekte usw.) verwenden, die von Haus aus mitgeliefert werden – geschenkt. Dafür sind sie ja da. In Summe sind die Level wirklich hübsch und ansehnlich gestaltet. Dafür wirken die Charaktere in den Gesprächen oft sehr hölzern, wenngleich Anne Lewis, die Partnerin von Murphy, Sergeant Reed und alle anderen Charaktere ihren realen Vorbildern sehr ähnlich sehen. Außerdem haben die Zwischensequenzen zumindest bei mir mit gelegentlichen Rucklern zu kämpfen. Eingestellt hatte ich den Qualitätsmodus. Gezockt habe ich das Spiel auf einer handelsüblichen PS5. Auch laden einige Texturen sehr spät, was dem Ganzen immer wieder einen sehr verwaschenen Eindruck verleiht. Das sind aber Dinge, die ich noch für lösbar halte. Vielleicht schrauben die Leute bei Teyon noch an Performance-Patches, die im Nachgang veröffentlicht werden. Showstopper sind das für mich aber nicht. Genauso wenig wie der Umstand, dass man nahezu immer im gleichen Areal unterwegs ist, nur zu unterschiedlichen Tageszeiten oder dass die Straßen des Viertels nahezu unbelebt sind. Wer nur über den Hauch von Fantasie und Vorstellungskraft verfügt, wird sich dank der Hingabe der Entwickler*innen, Robo zum Leben zu erwecken, ganz schnell in das Spiel einfühlen und hineinversetzen können – und mehr als großzügig über etwaige Schwächen hinwegsehen.

Von der sich an dem Soundtrack von Basil Poledouris orientierenden, teilweise auch im Original verwendeten Musik über die zynisch-sarkastischen Werbungen, die man auf diversen Radios hören kann und weiter über die Nachrichtensendung, die jeder RoboCop-Fan kennt bis hin dem generellen Look & Feel des Spiels: Teyon wirken auf mich, als wären sie selbst große Fans der Vorlage und hätten sich angesichts eines sehr wahrscheinlich überschaubaren Budgets und eines kleinen Teams die größtmögliche Mühe gegeben, das Spiel vor allem in Richtung der Fans, die vermutlich zu den größten Kritikern gehören, zu adressieren. Für diese alles richtig machen zu wollen. Und da ich mich zu dieser Zielgruppe zähle, kann ich nur sagen: Dieses Vorhaben ist dem Team mit Bravour gelungen! Nicht nur, dass es seit Ewigkeiten kein RoboCop-Spiel mehr gab – es gab auch noch nie ein besseres. Ich muss sagen, dass ich auch „Terminator: Resistance“ des gleichen Entwicklers mit großem Genuss und großer Freude gespielt habe. Schon da hat sich Teyon als ein Studio gezeigt, dass aus dem verkorksten Start mit der „Rambo“-Umsetzung gelernt hat. Und dass es vor allem verstanden hat, den Kern der jeweiligen Lizenz zu erfassen und mit jeder Menge Hingabe und Liebe zum Produkt umzusetzen. Sowohl Terminator damals als auch jetzt RoboCop sind keine Triple-A-Produktionen. Aber mal unter uns, Leute – das waren der erste Terminator- bzw. RoboCop-Film auch nicht. Daher passt das für mich auch in diesem Punkt. „RoboCop: Rogue City“ war für mich als Fan des ersten Films gleichermaßen Überraschung wie auch eine erfüllte Hoffnung. Ich bin gespannt, was Teyon als Nächstes anpackt. Vielleicht eine Umsetzung von (Judge) Dredd oder so. Aber was auch immer es werden wird – ich bin guter Dinge, dass sie auch das wieder zu einem Spiel machen werden, was Fans glücklich macht. Unterm Strich ist „RoboCop: Rogue City“ für mich trotz technischer und spielerischer Defizite Überraschung und Spiel des Jahres. Ich glaube, das kauf’ ich für’n Dollar!

Packshot des Videospiels Robocop Rogue City.
Erscheinungsdatum
3. November 2023
Studio
Teyon
Plattformen
PS5, Xbox X/S, PC
Unsere Wertung
4
Screenshot aus dem Spiel Robocop Rogue City.
Fazit
Von der sich an dem Soundtrack von Basil Poledouris orientierenden, teilweise auch im Original verwendeten Musik über die zynisch-sarkastischen Werbungen, die man auf diversen Radios hören kann und weiter über die Nachrichtensendung, die jeder RoboCop-Fan kennt bis hin dem generellen Look & Feel des Spiels: Teyon wirken auf mich, als wären sie selbst große Fans der Vorlage und hätten sich angesichts eines sehr wahrscheinlich überschaubaren Budgets und eines kleinen Teams die größtmögliche Mühe gegeben, das Spiel vor allem in Richtung der Fans, die vermutlich zu den größten Kritikern gehören, zu adressieren. Für diese alles richtig machen zu wollen. Und da ich mich zu dieser Zielgruppe zähle, kann ich nur sagen: Dieses Vorhaben ist dem Team mit Bravour gelungen!
Pro
Es ist vor allem für Fans des ersten Films eine wahre Freude
So viele bekannte Charaktere, Sounds, Umgebungen usw., dass man sich wahrlich mittendrin wähnt in einem RoboCop-Film
Klassischer Shooter ganz alter Schule, der durch diverse Rollenspiel-Elemente und Nebenquests aufgelockert wurde
Peter Weller kehrt in die ikonische Rolle zurück und spricht Alex Murphy
Der Zynismus von Paul Verhoevens Vorlage wurde gut getroffen, die grausame Brutalität ebenso
Mit rund 15 Stunden Spieldauer (auf normalem Schwierigkeitsgrad) angenehmer Umfang
Kein Multiplayer oder sonstiger Schnickschnack, der Ressourcen des Entwicklungsteams gefressen hätte, sondern ausschließlich eine runde Single-Player-Erfahrung
Musik, die sich am Score von Basil Poledouris orientiert bzw. teilweise sogar die Stücke verwendet
Größtes Plus: die unfassbare Hingabe und das investierte Herzblut, um die bisher ultimativste RoboCop-Erfahrung zu schaffen
Kontra
Technisch trotz Unreal Engine 5 zumindest auf der PS5 nicht ganz rund zum Zeitpunkt der Review
Hözerne Charaktere, spät nachladende Texturen
Teilweise Verwendung von Default Assetts der UE5 Engine
Gegen Ende kann es passieren, dass RoboCop dezent overpowered ist - müsst Ihr entscheiden, ob das wirklich ein Manko ist
Gameplay orientiert sich sehr an den Shootern aus der Mitte der 1990er-Jahre. Das muss man mögen.
4
Wertung
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