Cover des Comics Marvel Must-Have: X-Force - Sex + Gewalt von Panini Comics.

Schöne, teils drastische Bilder, sehr überschaubarer Inhalt: „Marvel Must-Have: X-Force – Sex + Gewalt“

Foto: Panini Comics

Die Feiertage bieten eine hervorragende Möglichkeit, sich einen Comic aus dem Regal zu ziehen, es sich irgendwo gemütlich zu machen und für eine kleine Weile in die Welt der bunten Panels abzutauchen. Zumal das Wetter draußen – kalt, stürmisch und, na sagen wir mal: sehr ergiebiger Landregen – zusätzlich die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Und im Zuge der allgegenwärtigen Besinnlichkeit und Gemütlichkeit kann man sich ruhig ein Kontrastprogramm gönnen. Daher ist mein Thema nun „X-Force: Sex + Gewalt“, vor wenigen Tagen erschienen in Paninis „Marvel Must-Have“-Reihe. Grundsätzlich sind diese Comics, die als „Marvel Must-Have“ neu aufgelegt werden, eine tolle Sache. Sie ermöglichen gerade Neulingen, einige wirklich starke Geschichten, die teilweise schon vor vielen Jahren erschienen sind, nachzuholen. Als Beispiel sei hier das fantastische Meisterwerk „Marvel 1602“ von Neil Gaiman und Andy Kubert genannt, oder auch das wunderbar herzerwärmende „Spider-Man: Blue“. Allerdings: Es gibt so Comics, bei denen ich mich frage, welcher Umstand sie in den Augen des Verlages zum Must-Have qualifiziert hat. Und „X-Force: Sex + Gewalt“ ist ein solcher Comic.

Im Mittelpunkt dieses mit einem Umfang von 108 Seiten eher überschaubaren Comics steht Domino, die sich mit Verbrecherorganisationen verschiedener Geschmacksrichtungen angelegt und dabei unterwegs eine nicht unerhebliche Menge Geld erbeutet hat. Irgendwas mit Menschenschmuggel ist auch noch. Und während sie sowohl von der einen Partei, als auch von der anderen die Lichter ausgeknipst bekommen soll, mischt sich Love Interest Wolverine in die Kampfhandlungen ein. Zwischendurch, wenn die Luft nicht ganz so blut- und bleihaltig ist, finden beide Mutanten noch die Zeit, ihrer Anziehung füreinander nachzugeben und vögeln sich den Verstand aus dem Kopf. Und viel mehr gibt es über die Handlung, die nicht sonderlich kreativ, dafür aber unheimlich dünn ist, auch gar nicht zu sagen. Weder bleibt irgendeine der handelnden Figuren nachhaltig im Gedächtnis, noch kann man sich zwei Tage später an bestimmte Details erinnern. Und wer nun hoffte, aufgrund des Titels würde es zur Sache gehen: An Blut und Gewalt mangelt es diesem Comic nicht, das stimmt, aber bezüglich Sex hält sich der Comic sehr zurück. Dem Kreativteam zufolge war es auch das Anliegen, mehr mit Andeutungen zu spielen, anstatt es richtig zur Sache gehen zu lassen. Zumindest lässt sich diese Aussage im Anhang nachlesen. Das ist einerseits nachvollziehbar und grundsätzlich auch ein guter Ansatz, gleichwohl angesichts des bluttriefenden Gemetzels, das auf den restlichen Seiten passiert, einigermaßen inkonsequent.

Pluspunkte, und zwar reichlich, kassiert „X-Force: Sex + Gewalt“ durch die wirklich sehenswerten Bilder von Gabriele Dell’Otto. Dell’Otto ist bei Marvel seit geraumer Zeit vorwiegend für die Covergestaltung zuständig; im vorliegenden Comic gleicht jede Seite und jedes Panel einem kleinen Kunstwerk. Dramatisch, dynamisch, kontrastreich, farblich minimiert und von grausamer Schönheit. Wenn das Kriterium, ob und wann ein Comic für die „Marvel Must-Have“-Reihe qualifiziert ist, nur die Optik ist – dann kann ich durchaus nachvollziehen, warum „X-Force: Sex + Gewalt“ hier (erneut) veröffentlicht wurde.

Beim Rest allerdings nicht. Der provokante, plakative Titel dieses Comics zieht natürlich Aufmerksamkeit auf sich, beim flüchtigen Durchblättern wird das Interesse durch die wunderschönen Bilder Gabrielle Dell’Ottos noch verstärkt. Leider ist das schon alles. Wie weiter oben schon erwähnt: Die Handlung ist erschreckend dünn und banal und hätte als Film gerade mal zu einem B-Movie gereicht. Domino und Wolverine sind starke Figuren, mit denen sich mehr anstellen ließe, als sie in einer solchen Pulp Fiction ohne jeglichen Tiefgang zu verbraten. Schade. Wem es genügt, dass Comics manchmal auch einfach „nur“ schön anzuschauen sind und sonst nichts, kann sich „X-Force: Sex + Gewalt“ ins Regal stellen. Gewiss blättert man immer wieder mal darin herum. Alle anderen bräuchten das nicht zwingend. Panini hat deutlich stärkere „Marvel Must-Have“-Titel im Programm, die aus Comic-geschichtlicher Sicht auch über eine sehr viel höhere Relevanz verfügen als diese Story hier.

Cover des Comics Marvel Must-Have: X-Force - Sex + Gewalt von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
19. Dezember 2023
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Gabriele Dell'Otto
Inhalt
Christopher Yost, Craig Kyle
Storys
X-Force: Sex & Violence (2010) 1–3
Seiten
108
Unsere Wertung
3
Fazit
Die Handlung ist erschreckend dünn und banal und hätte als Film gerade mal zu einem B-Movie gereicht. Domino und Wolverine sind starke Figuren, mit denen sich mehr anstellen ließe, als sie in einer solchen Pulp Fiction ohne jeglichen Tiefgang zu verbraten. Schade. Wem es genügt, dass Comics manchmal auch einfach „nur“ schön anzuschauen sind und sonst nichts, kann sich „X-Force: Sex + Gewalt“ ins Regal stellen. Gewiss blättert man immer wieder mal darin herum. Alle anderen bräuchten das nicht zwingend.
Pro
Wunderschöne Zeichnungen von Gabrielle Dell'Otto - zumindest, sofern man im Falle der teilweise reichlich blutigen Panels von "schön" reden mag
Kontra
Wenig Umfang, wenig Handlung
Entgegen etwaiger Erwartungen, die der provokante Titel vielleicht wecken mag, überraschend prüde
Der Comic zieht null Mehrwert daraus, um die zwei starken Figuren Domino und Wolverine herum gestrickt worden zu sein. Das hätte auch mit allen anderen Figuren aus dem Marvel-Universum funktioniert. Oder eben nicht funktioniert.
3
Wertung
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