Foto des Comics Peacemaker von Panini Comics.

Zwischen derber Gewalt und nicht minder derbem Humor: „Peacemaker“ ist nichts für Leute, die zum Lachen in den Keller gehen

Foto: Panini Comics

„And if at first you don’t succeed (first you don’t succeed) / Then dust yourself off and try again“, hieß es vor Jahren in dem Lied „Try Again“ der leider viel zu früh verstorbenen R’n’B-Sängerin Aaliyah. Wenn also etwas nicht direkt beim ersten Anlauf klappt, ist das trotz größerer Planung kein Grund zur Veranlassung und erst recht keiner, den Sand in den Kopp zu stecken! Einfach weitermachen, klappt vielleicht beim nächsten Anlauf. Oder beim übernächsten. Oder 50 Jahre später, auch kein Problem. Christopher Smith alias Peacemaker, obwohl schon 1966 ersonnen, dümpelte aus verschiedenen Gründen in der D-Liga der Superhelden vor sich hin. Dass in dieser Figur jede Menge ungenutztes Potenzial schlummert, erkannte der aktuelle Oberverantwortliche für alles, was DC filmisch in den nächsten Jahren so vorhat, James Gunn. Und machte ihn zu einer zentralen Figur in seinem „Suicide Squad“-Film, in dem der Wrestler John Cena in die Rolle des … nun, sagen wir, der Peacemaker hat einigermaßen Pech gehabt, als die Intelligenz verteilt wurde. Und siehe da, ganz plötzlich war der Mann, der Frieden so sehr liebt, dass er direkt dafür töten oder (ich zitiere) „einen Eimer Kacke löffeln“ würde, quasi ein Shootingstar unter den Leuten, die in Kostümen losziehen, um Unrecht zu bekämpfen. Panini Comics veröffentlichte in diesen Tagen „Peacemaker“, ein Band mit zwei Storys, bei denen eine aus der Feder von Garth Ennis („The Boys“, „Preacher“) und die andere aus der von Kyle Starks („Rick and Morty“) stammt. Beste Vorzeichen für einen gleichermaßen gewalttätigen wie unterhaltsamen Comic, oder? Ich möchte es mal so sagen: Ein Eimer Popcorn ist für die Lektüre angebracht.

Die beiden Geschichten in diesem Comic haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun, passen aber dennoch gut zusammen. Die erste Story ist der Beitrag von Garth Ennis und erzählt eine Origin Story; wir erfahren (zusammen mit der Psychiaterin des Peacemakers, Dr. Sedgewick), wie Christopher Smith zu dem wurde, was er schließlich wurde. Dass es dabei ziemlich derbe zur Sache geht, dürfte kaum überraschen. Schließlich ist „The Boys“ immer noch der Maßstab in Sachen comic- bzw. filmgewordener Geschmacklosig- und Abartigkeiten. Und dessen Schöpfer, Garth Ennis, noch nie bekannt dafür gewesen, oberhalb der Gürtellinie zuzuschlagen. Noch bevor sich das erste Haar an den Sack vom Peacemaker verirren konnte, wurde er Zeuge des erweiterten Suizids seiner Eltern. Auch wenn der Tathergang nicht dargestellt wird – die Ergebnisse sind deutlich. Und derbe. Wir erfahren weiterhin, dass in den Folgejahren Mitglieder seines jeweiligen Teams auf die ein oder andere, bis dato ungeklärte Weise, auf dem Felde der Ehre blieben – und dass es eventuell, unter Umständen und vielleicht mit dem Peacemaker zu tun hatte. Da sind einige ziemlich miese Typen unter einigen ziemlich miesen Umständen aus dem Leben getreten, aber immerhin – sie hatten anschließend Frieden.

Hat die erste Story noch einen eher ernsten Ton, dreht die zweite ziemlich auf – und wird wild, derbe und ziemlich schwarzhumorig. Wer zum Lachen nicht in den Keller geht, wird sich vermutlich gar königlich amüsieren. Peacemaker ist hier gewissermaßen Auftragssöldner, mit einer Bombe im Kopf, die jederzeit gezündet werden könnte, sollte er gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen. Und eigentlich ist er ein ziemlich armer Hund. Nicht nur, dass er, wie schon erwähnt, nicht die hellste Kerze auf der Torte ist – er ist darüber hinaus auch damit gestraft, dass ihn niemand leiden kann. Eine Einladung zu seiner Geburtstagsparty wird im besten Fall freundlich dankend abgelehnt. Im besten Fall. Das Leben von Christopher Smith besteht aber nur selten aus besten Fällen. Bis er eines Tages auf den Hund kommt – buchstäblich. Bei einem Einsatz sammelt er einen Hund auf, nennt ihn Bruce Wayne (!) und beide sind fortan allerbeste Freunde. Dass das Glück nur von kurzer Dauer ist, liegt auf der Hand, oder? Bruce Wayne wird nämlich entführt – und was zunächst wie eine einfache Rettungsmission aussieht, entpuppt sich schneller, als man von Bier mit übertrieben viel Kohlensäure aufstoßen muss, als sehr viel größere Sache. Unterstützung bekommt der Peacemaker von wahrlich unverhoffter Stelle. Und schon ist er mittendrin in einer Tour de Force, die in Sachen abgefahrener Humor, derbe Sprüche, rasante Action und Unterhaltungslevel alle Knöppe gleichzeitig drückt!

Ich glaube beinahe selbst kaum, dass ich das schreibe, aber die Origin Story, die Garth Ennis hier ablieferte – mit Zeichnungen von Garry Brown – hätte dieser Comicband nicht zwingend gebraucht. Nicht nur, weil sie im Umfang gegenüber dem Rest abflacht, sie passt auch bezüglich ihrer Tonalität nicht zum zweiten Teil. Im direkten Vergleich zum haarsträubenden zweiten Akt ist Ennis’ Beitrag viel ernster, düsterer, schmückt sich mit Versatzstücken aus „Bonny & Clyde“ oder „Natural Born Killers“ und würde vermutlich für sich alleinstehend einen größeren Eindruck hinterlassen, als es so der Fall ist. Mir ist der Peacemaker, wie er hier dargestellt wird, viel zu ernst. Als würde hier der Versuch unternommen, einen weiteren Anti-Helden für ein erwachsenes Publikum zu schaffen. Oder eher: neu zu definieren. So richtig haut mich das alles aber nicht aus den Latschen.

Die zweite Story hingegen schon. Was für ein abgedrehter Quatsch! Sehr derbe, aber dabei auch irre komisch. Humor von der Sorte, bei der man vielleicht manchmal sagt: sorry, dass ich lache, aber … HAHAHAHA! Alleine schon, dass Peacemakers Hund auf den Namen Bruce Wayne getauft wurde! Und dass eine Spur der Verwüstung gezogen wird, um den geliebten Vierbeiner wiederzubekommen. Oder dass er auf seinem Feldzug ausgerechnet Hilfe bekommt von seinem Bewährungshelfer im Greisenalter, der im Krieg schon als Held unterwegs und dessen besondere Fähigkeit es war, mit einem Bienchen in der Gürtelschnalle auf die Feinde loszugehen. Oder … ach, nee. Ich höre auf. Lest das mal schön selbst und amüsiert Euch. Die Zeichnungen von Steve Pugh passen hier zum Inhalt wie Peacemakers „Fickstrahl“-Helm in den … Stopp!

Wenn man in diesem Fall die reine Wortbedeutung anlegt, dann ist der überwiegende Teil dieses Comics tatsächlich dies: komisch. Zimperlich oder zartbesaitet darf man dabei nicht sein, andernfalls wäre das hier möglicherweise eine in Teilen ziemlich geschmacklose Angelegenheit. Noch weit entfernt von „The Boys“, aber die grobe Richtung stimmt schon. Man wird sehen, was DC in Comics und James Gunn in Filmen mit dem Peacemaker noch so vorhat. Aber wenn die enthaltene Story „Peacemaker Tries Hard“ so etwas wie ein Vorgeschmack ist – ja, dann bitte gerne mehr davon! Ob das vor 50 Jahren schon so im Sinne der Erfinder Joe Gill und Pat Boyette gewesen ist, wage ich zu bezweifeln. Aber bevor die Figur wieder 50 Jahre in einer Schublade vergammelt, wäre das definitiv ein Weg, der gegangen werden könnte. Alleine schon, weil Peacemaker in dieser Form ein erfrischender Gegenentwurf zu Strahlemännern wie Superman ist, ohne dabei gleich völlig drüber zu sein wie die Boys. Und nicht zuletzt, weil die Figur auch ohne den „Suicide Squad“-Kontext und allem, was da dran hängt, funktioniert.

Foto des Comics Peacemaker von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
6. Februar 2024
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Gary Brown, Steve Pugh
Inhalt
Garth Ennis, Kyle Starks
Storys
Peacemaker - Disturbing the Peace 1, Peacemaker Tries Hard 1-6
Seiten
204
Unsere Wertung
4.1
Fazit
Wenn man in diesem Fall die reine Wortbedeutung anlegt, dann ist der überwiegende Teil dieses Comics tatsächlich dies: komisch. Zimperlich oder zartbesaitet darf man dabei nicht sein, andernfalls wäre das hier möglicherweise eine in Teilen ziemlich geschmacklose Angelegenheit. Noch weit entfernt von „The Boys“, aber die grobe Richtung stimmt schon. Man wird sehen, was DC in Comics und James Gunn in Filmen mit dem Peacemaker noch so vorhat. Aber wenn die enthaltene Story „Peacemaker Tries Hard“ so etwas wie ein Vorgeschmack ist – ja, dann bitte gerne mehr davon!
Pro
Derb, derber, Peacemaker! Hier geht es zur Sache und das nicht gerade zimperlich!
Gerade im zweiten Teil, "Peacemaker Tries Hard", wächst einem der sympathische Loser, der so sehr versucht ein Held zu sein, direkt ans Herz
Kontra
Die Origin Story von Garth Ennis hätte alleinstehend vermutlich mehr Eindruck hinterlassen
4.1
Wertung
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