„Doug & Florence“: Kettcars neuer Song und seine sozialkritische Botschaft, verpackt in ein besonderes Video

Foto: Andreas Hornoff

Dass Kettcar immer politischer werden, sich immer mehr gesellschaftlichen Betrachtungen zuwenden, je länger sie im Geschäft sind, ist keine allzu neue Erkenntnis, denke ich. Zwar war „Ich vs. Wir“, das 2017er-Album, mit Songs wie „Sommer ‘89“ oder „Wagenburg“ genauso dem Zeitgeist verhaftet wie die zugehörige EP „Wir vs. Ich“, aber eigentlich geht das bei den Hamburgern doch schon viel länger so. Spääätestens mit dem Album „Sylt“ (2008) war doch der Weg eigentlich klar. Sänger und Haupttextschreiber Marcus Wiebusch erklärte dereinst in einem Beitrag des ZDFs zu besagtem Album: „Ich transportiere Geschichten, die oft halt davon handeln, dass Verlierer auch mitgedacht werden, dass gesellschaftliche Zustände in Geschichten eingebettet werden, wo man dann sieht, dass nicht alles richtig läuft.“

Der am letzten Freitag veröffentlichte Song „Doug & Florence“, eine Anspielung an „King of Queens“, geht in eine fast identische Richtung. Dass Arm und Reich in diesem Land sehr ungleich verteilt sind, gehört auch zu den offenen Geheimnissen, die ich hier so locker aus der Hüfte in den Text ballere. Denken wir nur mal zurück an die Hochphase der Pandemie, als es darum ging, die Situation derer zu verbessern, die sich an vorderster Front – salopp gesagt – den Arsch aufreißen: das Pflegepersonal. Hat sich seitdem etwas maßgeblich verbessert? Wohl eher nicht. Auf dem Balkon stehen und klatschen, das muss doch wohl reichen! Ich schreibe vorsichtshalber dazu, dass der letzte Satz bitter ironisch zu verstehen ist. „All ihr Pflegerinnen of the world, unite! Unite and take over“, singt der Herr Wiebusch hier.

Seit Jahren (mindestens seit 2005) schon ist bekannt, dass wer nicht aus gutem Hause kommt und/oder Akademikerkind ist, nachweislich wahrscheinlich auch nicht studieren wird und daher geringere Chancen auf das haben wird, was man gerne mal „gutes Leben nennt“. Ich will hier gar nicht eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung aufmachen, das überlasse ich Kettcar. Aber an den Sprichwörtern „Teufel scheißt stets auf den größten Haufen“ bzw. „Geld entsteht immer da, wo schon Geld ist“, da wird wohl mehr dran sein, als uns gesellschaftlich eigentlich lieb sein könnte. Solange aber nach wie vor von unten nach oben verteilt wird, ändert sich da nix. Das Kind eines Paketzustellers wird wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Leben auch eher mäßig bezahlten Jobs nachgehen, nehme ich an. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel. „Du wüsstest auch gern, wie das ist / Einmal frei zu sein / Dann könntest du dir durchaus vorstell’n / Mal liberal zu sein / Es ist so merkwürdig verteilt / Das sieht jeder, der gut hinsieht“, heißt es weiter in diesem Lied.

Ein Lied, zu dem es seit heute auch ein für Kettcar sehr untypisches Video gibt. Und bevor es gleich heißt: MAZ ab, beende ich diese Wortmeldung hier mit einem weiteren Zitat aus dem Liedtext: „Paketzusteller of the world, unite! Unite and take over“. Macht Euch am besten selbst einen Reim darauf. „Gute Laune ungerecht verteilt“, so der Name des im April erscheinenden Albums, wird möglicherweise der neue Maßstab, was die von Herrn Wiebusch als Mitdenken der Verlierer bezeichnete Bestandsaufnahme im Kettcar-Style angeht. Und jetzt: MAZ ab.

Kettcar - Doug & Florence

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Cover des Albums Gute. Laune ungerecht verteilt von Kettcar.
Erscheinungsdatum
5. April 2024
Band / Künstler*in
Kettcar
Album
Gute Laune ungerecht verteilt
Label
Grand Hotel van Cleef
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