Cover des Comics Das Erbe von Carnage - Misery von Panini Comics.

„Das Erbe von Carnage – Misery“, oder: Hier ist der Name eindeutig mehr Programm, als es dem Verlag lieb sein kann

Foto: Panini Comics

Mit Venom und Carnage hat Marvel grundsätzlich zwei ziemlich miese Gestalten am Start. Okay, Venom (meist in Personalunion mit Eddie Brock) ist inzwischen einigermaßen domestiziert. Wenn aber der außerirdische Symbiont so könnte, wie er wollte … nun, niemand wäre sicher, dafür aber sehr wahrscheinlich ziemlich tot. Sieht man ja an dessen Gegenentwurf Carnage, der wiederum mit dem psychopathischen Mörder Cletus Kasady sein passendes Gegenstück gefunden hat. Dieses tödliche Doppel von der Leine gelassen bedeutet, dass nicht nur New York brennt, sondern, sofern nicht von irgendwem mit Superhelden-Status gestoppt, auch die ganze Welt. Gegen Venom wurde eines Tages ein Anti-Venom in die Welt gesetzt und diese Schöpfung verträgt sich, wen wundert’s, nicht so richtig gut mit Carnage. Wenn nun also der weiße Symbiont und der rote aufeinandertreffen, dann ergibt das eine explosive Mischung, da beide den Drang haben, einander auszuradieren. Und wenn das nun auch noch im Körper einer Person stattfinden soll – also nimm 2, quasi – dann stehen die Vorzeichen grundsätzlich zunächst gut für spannende Comiclektüre. Ob sich diese guten Omen bei „Das Erbe von Carnage – Misery“ bewahrheiten? Lasst uns da mal einen näheren Blick drauf werfen.

Dieses Dreifach-Mischlingswesen aus Mensch, Carnage und Anti-Venom heißt eigentlich Liz Allan und ist neben ihrer Rolle als Mutter und Managerin des Alchemax-Konzerns vor allem auch die Witwe des mittlerweile verstorbenen Harry Osborn (dem Sohn des Green Goblins, Norman Osborn, einer von Spider-Mans liebsten Feinden). In ihrer Bude werden außerirdische Symbionten erforscht und natürlich würden wir nicht diesen Comic in den Händen halten können, wenn dabei nicht etwas gehörig schiefgehen, sich die Symbionten vermischen und im Körper von Liz vereinen würden. Und schon haben wir also diese neue Kreatur, bei der Liz zumindest glaubt, die Oberhand zu haben und der es augenscheinlich nicht sonderlich viel ausmacht, in mehrere handliche Teile zerfetzt zu werden. Viel Zeit, sich mit den neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen, bleibt Liz allerdings nicht. Selbstverständlich hat es jemand auf Alchemax, auf sie und auf die Symbionten abgesehen und es dauert nicht lange, bis sich Symbionten in allen möglichen Farben nebst deren Wirte die Kauleiste polieren. Mit Anlauf und einiger Wucht, versteht sich. Die Zähne sollen schließlich raus und nicht nur wackeln.

Joa. Kann man alles so machen, muss man aber nicht. Die Vorzeichen waren grundsätzlich ganz spannend. Eine Frau, die an der Spitze eines Konzerns steht und gleichzeitig trauernde Witwe ist, die einem Mann nachweint, der möglicherweise, unter Umständen und vielleicht doch nicht so gut zu ihr war, wie sie das in Erinnerung hat und die sich nun um die hinterbliebenen Kinder kümmert. Garniert mit einem ausgemachten Helfersyndrom sowie dem absoluten Drang, Gutes schaffen zu wollen, während in ihrem Körper außerirdische Wesen gastieren und die ihrer Lust auf Mord und Totschlag nachgehen möchten. Da hätte man mehr draus machen können als das, was Sabir Pirzada hier inhaltlich geliefert hat. Der Gegenspieler von Mysery ist – von den farbigen Symbionten abgesehen – sehr blass. Und schnell vergessen. Überhaupt wirkt die Prügelei von Mysery und ihrem Gegenspieler so, als hätte man die Darklings von Jackie Estacado („The Darkness“) zu einer Party eingeladen und ihnen diverse Freifahrtsscheine ausgestellt. Will sagen: Das Rambazamba, was die Symbionten hier veranstalten, erinnerte mich sehr an deutlich spannendere Dinge, die ich vor über 20 Jahren schon gelesen habe. Das war nix. Hier wurde wirklich viel Potenzial verschenkt.

Optisch weiß der Comic dank der Zeichnungen Francesco Mortarinos hingegen durchaus zu gefallen. Der leichte Manga-Stil verleiht der gegenseitigen Fresse-Politur die nötige Portion Dynamik, auch die Farben können sich sehen lassen. Leider trägt das zum Inhalt freilich nichts bei. Einen erhobenen Zeigefinger des Schimpfens geht an dieser Stelle übrigens auch an Panini selbst. Es gibt eine Seite in diesem Comic, in dem scheinbar Zeichnungen aus früheren gemeinsamen Auftritten von Osborn und Allan verwendet werden. Quasi eine Art Rückblende. Mit Sprechblasen und vor allem einer Schrift so klein, dass ich als Brillenträger das teilweise nicht mehr erkennen konnte. Ich weiß nicht, ob man da nicht eine andere Lösung hätte finden können, dennoch gibt das deutlich Abzüge in einer ohnehin schon überschaubaren Gesamtnote.

Alles in allem ist „Das Erbe von Carnage – Misery“ eine tragische Geschichte. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen des verschenkten Potenzials. Man muss vermutlich schon ausgewiesener Fan von Venom und/oder Carnage sein, um hier größeres Vergnügen zu empfinden. In der langen Tradition der Marvel-Comics ist das hier ein Werk, auf das man bequem verzichten kann. So ein Elend. Wortwörtlich.

Cover des Comics Das Erbe von Carnage - Misery von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
23. Januar 2024
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Francesco Mortarino
Inhalt
Sabir Pirzada
Storys
Cult of Carnage: Misery 1-5
Seiten
124
Unsere Wertung
1.9
Fazit
Alles in allem ist „Das Erbe von Carnage - Misery“ eine tragische Geschichte. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen des verschenkten Potenzials. Man muss vermutlich schon ausgewiesener Fan von Venom und/oder Carnage sein, um hier größeres Vergnügen zu empfinden. In der langen Tradition der Marvel-Comics ist das hier ein Werk, auf das man bequem verzichten kann. So ein Elend. Wortwörtlich.
Pro
Die Zeichnungen sind ganz ansehnlich ausgefallen
Kontra
Die Handlung ist dünn bis dämlich
Leider wurde die grundsätzlich spannende Ausgangslage so überhaupt gar nicht genutzt
1.9
Wertung
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