Cover des Comics Cyberpunk 2077 - Die Stimme von Panini Comics.

Als Johnny Silverhand noch unter den Lebenden weilte: „Cyberpunk 2077 – Die Stimme“ erzählt eine tragische Geschichte aus frühen Tagen Night Citys

Foto: Panini Comics

Zu den Dingen, die ich definitiv nicht müde werde zu betonen, gehört, dass ich „Cyberpunk 2077“ für einen ganz, ganz großen Wurf halte. Und hielt. Immer schon. Seit Erscheinen. Und nicht erst, seit es – der fleißigen Nacharbeit durch das Entwicklungsstudio CD Projekt RED sowie der Erweiterung „Phantom Liberty“ sei es gedankt – in einer Art zweitem Frühling erblühte. Ich will das Fass über den sicher unglücklichen Start des Spiels an dieser Stelle nicht aufmachen. Ich will auch nicht noch einmal Dinge erzählen, die ich an anderer Stelle schon kundgetan habe. Mir geht es um Folgendes: Das reichhaltige Setting des Spiels bietet Stoff für viele tolle Geschichten, große wie kleine. Die zugehörigen Comics, die in schöner Regelmäßigkeit bei Panini Comics veröffentlicht werden, sind gelungene Beispiele dafür. Gerade an den letzten Band, „Cyberpunk 2077 – Blackout“, denke ich sehr gerne zurück. Kürzlich brachte Panini mit „Cyberpunk 2077 – Die Stimme“ den nächsten Band an den Start. Gelingt es dem neuen Comicableger, eine ähnlich nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen? Hm. Na ja.

Die Comics erzählen Geschichten mitten aus Night City. In diesem Fall aus einer Zeit lange, bevor die Abenteuer von V. Bestandteil des Videospiels waren. Es sind keine Heldengeschichten, die hier vorgetragen werden. Sondern die von Menschen wie du und ich, die in ihrem Alltag in dieser riesigen und nicht selten grausamen Stadt irgendwie meistern müssen. Dieses Mal folgen wir den Erlebnissen eines Wartungsarbeiters, der während seines Tuns in eine bewaffnete und nicht gerade zimperliche Auseinandersetzung zwischen einer mysteriösen Frau und einer Maelstrom-Gang gerät. Die Frau kann fliehen, überreicht dem Arbeiter aber einen Chip, dessen Inhalt mehr oder weniger umgehend im Kopf des Arbeiters landet. Wer sich hier an das Videospiel erinnert fühlt, liegt nicht gänzlich falsch. Zudem befinden wir uns in einer Zeit, in der ein gewisser Johnny Silverhand noch sehr lebendig ist und es sehr terroristisch auf die Firma Arasaka nebst schmuckem Hochhaus abgesehen hat. Und so wird aus dem Wartungsarbeiter nur eine Person mehr, die auf die ziemlich harte Tour herausfindet, dass in Night City nichts jemals ohne Preis ist – und wenn es die Liebe ist.

Etwas ambivalent stehe ich diesem Comic schon gegenüber. Die sehr stilisierten, sehr kunstvollen Zeichnungen, die viel mit Schlagschatten arbeiten und beinahe wie Scherenschnitte oder Ähnliches wirken, gefallen mir wirklich gut. Das ist nicht die typische Marvel- oder DC-Kost, sondern dürfte vielleicht auch so manch gehobenem, künstlerischen Anspruch genügen. Leider, und damit komme ich zur Kehrseite der Medaille, fällt der Inhalt dahinter sehr ab. Oder anders: Das Kreativ-Duo Aleksandra Motyka und Danijel Zezelj verlässt sich zu sehr darauf, dass Lesende ihrer Handlung schon werden folgen können. Bedauerlicherweise sind die Sprechblasen in Anzahl und Umfang sehr dünn. Zusätzliche, erzählende Bubbles fehlen gänzlich. Es muss also sehr viel im Kopf der Person stattfinden, die sich dieses Werk zu Gemüte führt. Das ist generell keine schlechte Sache, aufgrund der buchstäblich sehr düsteren Bilder aber keine einfache Geschichte. Beinahe wirkt es ein wenig so, als würden Motyka und Zezelj ihr Publikum herausfordern wollen. Das kann funktionieren, wenn man Zeit und Muße hat, sich darauf einzulassen. Gelingt das, kann man dem Comic noch ein paar Kudos aufaddieren. Aber selbst dann ist die Geschichte im Vergleich zum direkten Vorgänger alles in allem eher so mäßig spektakulär.

Und das macht es mir dieses Mal schwer. Nicht nur schwer, die gleiche Euphorie zu empfinden, so wie es noch bei „Blackout“ der Fall war. Sondern auch schwer, hier eine Empfehlung pro oder kontra abzugeben. Als „Cyberpunk“-Fan wird man sich für diesen Comic vermutlich eher erwärmen als jemand, auf dessen literarischem Speiseplan die Schlüpper-über-der-Strumpfhose-Träger von DC oder Marvel stehen. Je länger ich darüber nachdenke: vermutlich schadet es nicht, mal einen Blick zu riskieren, wenn man grundsätzlich für das Besondere offen ist. Es ist ja nicht gesagt, dass das notwendigerweise auch immer die Spitze der Comicschöpfung sein muss.

Cover des Comics Cyberpunk 2077 - Die Stimme von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
30. Januar 2024
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Danijel Zezelj
Inhalt
Aleksandra Motyka
Storys
Cyberpunk 2077
Seiten
92
Unsere Wertung
3.1
Fazit
Als „Cyberpunk“-Fan wird man sich für diesen Comic vermutlich eher erwärmen als jemand, auf dessen literarischem Speiseplan die Schlüpper-über-der-Strumpfhose-Träger von DC oder Marvel stehen. Je länger ich darüber nachdenke: vermutlich schadet es nicht, mal einen Blick zu riskieren, wenn man grundsätzlich für das Besondere offen ist. Es ist ja nicht gesagt, dass das notwendigerweise auch immer die Spitze der Comicschöpfung sein muss.
Pro
Schöne Bilder, die manchmal beinahe an Scherenschnitte erinnern, in jedem Fall aber sehr kunstvoll wirken
Kontra
Inhalt ist bisschen dünn, selbst dann, wenn man dem Kreativteam unterstellt, die Fantasie der Leserschaft herausfordern zu wollen
3.1
Wertung
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