Nachdenken über die Zukunft (nicht nur über die eines Bloggers), Teil 2: Eine KI liefert dir mit wenigen Eingaben ganze Songs – inklusive Texten und Cover Artworks!

Foto: Roman Empire / Avalost / Unter Verwendung von Adobe Firefly (KI)

Es klingt wie ein Aprilscherz, ist aber keiner: In der ach so schönen neuen Welt KI-generierter Inhalte ist es nun möglich, mit nur wenigen Prompts (also Texteingaben, die beschreiben, was die KI erstellen soll), ganze Lieder generieren zu lassen. Zusätzlich zur Musik mit Texten, mit Gesang, mit einem Cover Artwork. Und das inzwischen auf einem Niveau, das es schon jetzt schwer macht zu erkennen, ob das Gehörte von Menschenhand geschaffen wurde, oder ob eine KI das in weniger als zwei Minuten zusammengezimmert hat. Aufmerksam geworden bin ich durch den Podcast „Casa Casi – Die Tech-WG“ bzw. den letzten Beitrag von Casi mit dem Titel „KI, Streaming und TikTok: Die Zerstörung der Musik“ sowie einem Beitrag drüben bei Threads von Sascha Pallenberg, für gewöhnlich auch Mitbewohner genannter Tech-WG. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich an dieser Stelle meinen Artikel „ChatGPT, oder: Nachdenken über die Zukunft (nicht nur über die eines Bloggers)“ veröffentlicht. Damals war ChatGPT das große Thema, heute scheint es schon fast irgendwie Normalität zu sein, dass die Verwendung von KI in unseren Alltag eingezogen ist. Aber die Entwicklungen in dem Bereich sind ja nicht stehen geblieben, viel mehr haben sie meinem Eindruck nach noch an Tempo zugelegt. Die Aussichten? Noch weniger erfreulich als vor einem Jahr noch. Ich fürchte, ich muss an dieser Stelle schon wieder ein bisschen nachdenken.

Eines der Dinge, die mir im vergangenen Jahr Kopfschmerzen mit ChatGPT bereitete – und die sind seitdem nicht weniger geworden, das glaub mal! – war, dass es nur wenige Worte benötigte, um eine Rezension zum Album „Happier Than Ever“ von Billie Eilish zu erhalten. Ich versuche es heute noch einmal, dieses Mal mit dem neusten, ChatGPT bekannten Album von Taylor Swift. Dies ist das Ergebnis:

„Das neueste Album von Taylor Swift, das mir bekannt ist, ist „Evermore“, das im Dezember 2020 veröffentlicht wurde. Hier ist eine ausführliche Rezension dazu:

Titel: Evermore

Künstler: Taylor Swift

Veröffentlichungsdatum: 11. Dezember 2020

Rezension:

Taylor Swift hat mit „Evermore“ erneut ihre künstlerische Vielseitigkeit und ihre Fähigkeit zur Geschichtenerzählung unter Beweis gestellt. Als eine Überraschungsveröffentlichung, die nur wenige Monate nach ihrem vorherigen Album „Folklore“ erschien, fängt „Evermore“ die Magie und das Gefühl von Einsamkeit und Verlust ein, das auch in „Folklore“ präsent war, aber auf subtile und doch kraftvolle Weise erweitert wird.

Das Album öffnet sich mit dem Titeltrack „Willow“, der den Hörer mit sanften Gitarrenklängen und Taylors charakteristischer Stimme einfängt. Die Texte sind poetisch und metaphorisch, und Swift spielt geschickt mit Bildern und Symbolen, um eine emotionale Landschaft zu schaffen, die den Hörer mit jedem Song tiefer in ihre Welt zieht.

Tracks wie „Champagne Problems“ und „Tolerate It“ erkunden komplexe Beziehungen und menschliche Emotionen auf eine Weise, die sowohl einfühlsam als auch eindringlich ist. Swift zeigt ihre Fähigkeit, die menschliche Erfahrung in all ihren Facetten zu erfassen und in Musik zu verwandeln, die tief berührt.

Ein Höhepunkt des Albums ist zweifellos die Kollaboration mit Bon Iver in „Exile“, einem kraftvollen Duett, das von Herzschmerz und Verlust handelt. Die beiden Stimmen verschmelzen auf magische Weise und erzeugen eine Atmosphäre der Tragik und der Sehnsucht.

Auch die instrumentale Vielfalt von „Evermore“ ist bemerkenswert. Von sanften Folk-Klängen bis hin zu experimentelleren Arrangements bietet das Album eine breite Palette von musikalischen Texturen, die Taylors lyrische Fähigkeiten ergänzen und vertiefen.

Insgesamt ist „Evermore“ ein beeindruckendes Werk einer Künstlerin, die sich immer wieder neu erfindet und dabei ihre kreative Integrität bewahrt. Es ist ein Album, das zum Träumen einlädt, zum Nachdenken anregt und eine emotionale Resonanz erzeugt, die lange nach dem Hören anhält. Taylor Swift hat einmal mehr bewiesen, dass sie zu den herausragendsten Songwritern ihrer Generation gehört, und „Evermore“ ist ein weiterer Meilenstein in ihrer beeindruckenden Karriere.“

Das entspricht in etwa einiger Feld-, Wald- und Wiesenreviews, die man auf so mancher Webseite bzw. in so manchem Blog zu lesen bekommt. Ich hätte ChatGPT gerne auf das Album „Midnights“ losgelassen, leider ist das der KI noch nicht bekannt. Was ich damals daraus gemacht habe, könnt Ihr hier nachlesen.

Kommen wir zu der KI, die nun also auch in der Lage ist, ganze Musik zu schaffen. Suno AI heißt das Moped. Und auch hier braucht es wieder nur wenige, beschreibende Worte, um der KI zu sagen, was sie machen soll. Dann legt sie los.

Meine Anforderung an die KI war die folgende, um beim Beispiel Taylor Swift zu bleiben: „a heartbreak country pop song with female vocals, downtempo“.

Hört hier das Ergebnis:

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Gleichermaßen beeindruckend wie erschreckend, oder? Nochmals, Freunde: Nichts davon ist echt. Weder die Instrumente noch der Gesang, noch sonst etwas. Freundlicherweise liefert die KI eine alternative Version direkt mit:

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Nun weiß ich, dass in meiner persönlichen Bubble Menschen unterwegs sind, die sich zu Düsterelektro, EBM und ähnlichen Musikrichtungen hingezogen fühlen. Auch dafür hat Suno AI Kapazitäten. Die Aufforderung an die KI war Folgende: „ebm song about personal misery“. Das hat sie daraus gemacht:

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Wenn wir uns mal ehrlich machen, könnte das durchaus ein Track sein, der in den DAC (Deutsche Alternative Charts) unterwegs ist, höhere Positionen zu erklimmen – oder in entsprechenden Tanztempeln das Publikum in Bewegung zu versetzen. Anderes Beispiel („ebm song about climate crisis“), gleiche Zielgruppe:

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Natürlich möchte ich in unserer kleinen Experimentierstunde auch die Metalheads nicht außen vor lassen. Das kommt dabei heraus, wenn man Suno AI nach entsprechender Mucke befragt: 

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Na? Klingeln die Öhrchen?

Nun kann Suno AI aber nicht nur Fans von harten Klängen bedienen. Wie wäre es stattdessen vielleicht mit ein bisschen Klassik? Gar kein Problem („classic hymn about climate crisis, orchestrated“):

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Oder etwas weniger dramatisch, dafür vielleicht mehr Mainstream? Idealerweise irgendwas fürs Radio? Na sichi!

Musik: Roman Empire / Avalost / Erstellt mit Suno AI.

Die Möglichkeiten sind quasi unbegrenzt. Und ich kann nicht leugnen, dass mich dieses Tool zunächst auch ziemlich fasziniert hat. Ich staune nach wie vor zu gerne, was technisch so möglich ist. Aber denken wir das mal weiter: Pro Tag bekommt man bei Suno AI 50 Credits, die für zehn Songs pro Tag reichen. Wer sich entscheidet, Geld auszugeben, erhöht den Ausstoß um ein Vielfaches. Wer im höchsten Tarif 30 Dollar im Monat ausgibt, kann bis zu 2000 Songs im Monat erstellen! Derzeit sind die von Suno AI generierten Songs noch auf eine Länge von zwei Minuten begrenzt. Es wird wohl aber nur noch eine Frage von sehr kurzer Zeit sein, bis sich auch daran etwas einstellen lässt bzw. die KI von sich aus schon Songs in drei bis fünf Minuten Länge erzeugt. Und da es für den Vertrieb von Musik heute nicht mehr zwingend ein Label bräuchte, sondern im Prinzip jede*r sein Zeug selbst beispielsweise bei Spotify hochladen kann, fürchte ich schon bald eine wahre Flut an Songs, an denen Menschen nur noch sehr passiv beteiligt waren. Für gewiefte Mitmenschen bricht zumindest für kurze Zeit die nächste Goldgräberstimmung an.

Ich fürchte, dass es vielen Menschen egal sein wird, auf welchem Wege die Musik, die ihr Ohr erreicht, erzeugt wurde. Ob da noch ein echter Mensch alles Können, Talent und Herzblut in die Songs gesteckt hat, oder ob nur jemand in der Lage war, via KI Prompting einer künstlichen Intelligenz gesagt hat, was sie erschaffen soll. Mein Eindruck ist, dass Musik ohnehin einen immer geringeren Stellenwert im Leben der Menschen einnimmt – zu groß und vielfältig sind die Möglichkeiten, sich anderweitig medial berieseln zu lassen. Ich mag mich irren, aber das ist, was ich beobachte.

Den Gedanken noch weitergesponnen: Die schreibende KI erzeugt Reviews über die Musik, welche die andere KI erschaffen hat. Wo dabei der Mensch bzw. die menschliche Komponente bleibt, darüber kann – und sollte! – man mal nachdenken. Vielleicht wird „handgemachte Musik“ bzw. „von Menschen gemachte Musik“ bald zu einer Art Qualitätsmerkmal oder Gütesiegel, für das Menschen bereit sind, entsprechend zu bezahlen. Das wird dann vermutlich ein sehr kleiner Kreis sein. Siehe weiter oben, Wertigkeit von Musik und so. Und ich komme wieder an den gleichen Punkt zurück, wie schon im Januar 2023 und denke über die Zukunft eines Bloggers nach. Also meine. Musik ist ein Schwerpunktthema dieses Blogs, aber im vergangenen Jahr schon deutlich in den Hintergrund gerückt. Ich vermute, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Spätestens dann, wenn ich nicht mehr weiß oder unterscheiden kann, ob das Album oder der Comic oder das Buch oder was auch immer ich Euch hier vorstellen kann, soll oder möchte, echt bzw. menschengemacht ist oder nicht, kann ich den Bumms hier endgültig dicht machen. Ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen, befürchte aber, dass dieser Zeitpunkt schneller kommen wird, als mir recht sein kann. Als es uns allen recht sein kann.

Mit den künstlichen Intelligenzen haben wir einen Geist aus der Flasche gelassen, den wir nie wieder einfangen können. Im besten Falle können wir da regulierend tätig werden. Aber die Uhr zurückdrehen geht nicht. Neulich sah ich in den Nachrichten, dass OpenAI (die Firma hinter ChatGPT) eine neue KI am Start hat, der nur eine kurze Audioaufnahme genügt, um überzeugend echte, gesprochene Texte zu erzeugen, welche sich nur noch sehr schlecht bis gar nicht vom menschlichen Original unterscheiden lassen. Was das anzurichten vermag, darüber will ich lieber nicht weiter nachdenken. Es ist gut, dass OpenAI diese Technik noch unter Verschluss hält. Aber machen wir uns nichts vor: wenn sich damit auch nur eine müde Mark verdienen lässt, wird das auf die Menschheit losgelassen werden! Ich bin ziemlich sicher, dass wir noch in dieser Dekade fundamentale, gesellschaftliche Umwälzungen erleben werden. Und dabei beziehe ich mich nicht auf die Klimakrise, deren Auswirkungen wir immer mehr zu spüren bekommen. Man kann nur hoffen, dass sehr bald Antworten und Maßnahmen gefunden bzw. ergriffen werden. KI lernt viel und KI lernt sehr schnell.

Das war vermutlich genug Dystopie für heute. Ich grüble immer noch ein bisschen über die Zukunft nach, habe dabei aber garantiert handgemachte Musik im Ohr. Das kommende Album von Kettcar, „Gute Laune ungerecht verteilt“, zum Beispiel. Wie ist das bei Euch? Beschäftigen Euch die Entwicklungen im KI-Bereich auch? Macht Euch das Sorgen? Oder seht Ihr darin Werkzeuge, die immer nur so gut sind wie die Menschen, die sie bedienen? Lasst mich gerne an Euren Gedanken teilhaben, entweder hier als Kommentar oder in irgendeinem der sozialen Netze, in denen ich mich herumtreibe.

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