„Ich sehe was, was du nicht siehst“: Enno Bunger behandelt in neuem Song auf ergreifende und wunderschöne Weise das Thema Depressionen

Foto: Enno Bunger (Quelle: Youtube)

Manchmal fehlen mir einfach die Worte. Es kommt ein Thema ins Haus geflattert, um das ich mich hier an dieser Stelle gerne kümmern möchte und dann, völlig unerwartet, wühlt mich das auf verschiedenste Weise so auf, dass ich auf den blinkenden Cursor auf dem Bildschirm starre, ähnlich wie ein Reh in die Scheinwerfer eines heranrasenden Schwerlasttransporters auf nächtlicher Landstraße. So ging es mir eben, als ich diesen Artikel angefangen hatte. Wobei mich Enno Bungers neues Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“ nicht gänzlich unvorbereitet überrollt hat. Schon in den Ankündigungen auf diversen Social-Media-Kanälen des Flausenlegers war deutlich, was das Thema dieses Songs sein würde: mentale Gesundheit bzw. konkret Depressionen.

Die Sache mit Depressionen ist ja, dass sie wie ein falscher Freund immer da sind. Manchmal verstecken sie sich weit im Unterbewusstsein und für einen Augenblick könnte man als Betroffene*r denken, alles sei gut. Und im nächsten Moment kommen sie zurück, übernehmen die Kontrolle und es ist sehr schwer, sie nicht komplett die Überhand gewinnen zu lassen. Wohin Depressionen führen können, möchte ich nicht weiter ausführen, das wisst Ihr vermutlich alle selbst. Im besten Falle ist es nur ein quälender und lähmender Zustand.
Die andere Sache mit diesem Biest ist, dass man sie Betroffenen nicht ansieht. Viele Menschen funktionieren weiterhin für ihre Umwelt scheinbar ganz normal und so wie immer. Dass die Seele längst Risse bekommen hat, sieht keiner. Kann vielleicht auch niemand sehen, nicht so wie bei einem gebrochenen Bein. „Lächel doch mal“, hört man oft. Oder „geh mal bisschen spazieren“, „wird schon wieder“ und was weiß ich, was dann gerne an Allgemeinplätzchen gebacken wird. Vermutlich meinen es diese Tippgebenden nicht mal böse. Es fehlt Menschen, die nicht davon betroffen sind, wahrscheinlich oft einfach die Fähigkeit, sich vorzustellen, in was für ein Loch man gerade gefallen ist, wenn der nächste Schub kommt – und wie schwer und mühselig es ist, da wieder herauszukrabbeln.

Depressionen sind also das Thema von Enno Bungers neuem Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Was soll ich sagen … ich fühle dieses Lied so sehr! Ich habe in diesem Jahr ein paar Monate teilstationär in einer Tagesklinik verbracht, unter anderem weil ich auch regelmäßig diese falschen Freunde zu Besuch habe. Hat mir das geholfen? Ich bin noch nicht abschließend sicher. Oft, viel zu oft, sind diese falschen Freunde gekommen, um zu bleiben. Und Gedanken und Gefühle, die ich dort aufarbeiten wollte, brodeln und nagen nach wie vor unter der Oberfläche. Manche*r wird ein Leben lang immer wieder therapeutische Unterstützung benötigen. Oder Medikamente, um die Stimmen zum Schweigen zu bringen und die negativen Gefühle zu unterdrücken. Oder beides. Aber, und das ist die wichtige Information: Die Unterstützung ist ja da! Auch wenn es sich oft so anfühlt, niemand müsste alleine dieses Tal durchschreiten. Jeder Fünfte in diesem Land erkrankt wenigstens einmal im Leben an Depressionen. Dass man das Biest in Zaum halten kann, sind grundsätzlich gute Aussichten. Nichts getan zu haben, hätte meine Lage aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verschlimmert. Also ist die Antwort auf die eben gestellte Frage: ja.

In jedem Fall ist es immer ein guter Rat, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn die Last auf der Seele zu schwer zu werden scheint. Therapieplätze sind knapp und begehrt, das weiß ich aus eigener Erfahrung, aber diese Telefonnummer hier ist immer da: 0800-1110111. Alternativ zur Telefonseelsorge könnt Ihr Euch auch an die Deutsche Depressionshilfe wenden. Oder wenigstens mit einer Person sprechen, der Ihr vertraut und die Euch das Gefühl gibt, zu verstehen, was gerade in Euch vorgeht.

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist die schönste und ergreifendste Aufarbeitung dieses Themas, das mir bisher untergekommen ist. Ich bin noch nicht abschließend sicher, was das aussagt, aber ich fühle mich durch dieses Lied, durch einen Musiker, wieder einmal mehr verstanden als durch so manche*n Therapeut*in, mit denen ich es in der jüngeren Vergangenheit zu tun gehabt habe. Musik berührt und heilt die Seele eben auf eine andere, auf eine ganz besondere Weise. Bleibt nicht mehr viel zu sagen, außer: Danke, Enno – danke für die Stimme, die hier spricht, wenn Menschen mit Depressionen die Kraft zum Sprechen fehlt.

Enno Bunger - Ich sehe was, was Du nicht siehst

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Erscheinungsdatum
19. Januar 2024
Band / Künstler*in
Enno Bunger
Album
Der beste Verlierer
Label
Ennorm Records (PIAS)
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