Cover des Comics Batman - Detective Comics Sonderband - Gotham Nocturne von Panini Comics.

Charakterstudien in der Dunkelheit: „Batman – Detective Comics Sonderband – Gotham Nocturne“

Foto: Panini Comics

Der Begriff Nocturne – oder besser: Nachtstück – bezeichnet in der Malerei die Darstellung nächtlicher Szenen mit natürlicher oder künstlicher (oder, wenn es sich um religiöse Motive handelt, auch mit übernatürlicher) Beleuchtung. Und irgendwie erscheint es mir nur passend, dass Panini Comics’ „Batman – Detective Comics Sonderband – Gotham Nocturne“ diesen Begriff im Titel führt. Schließlich könnte man bei einem maskierten Vigilanten, dessen Abenteuer meist in nächtlichen Umgebungen in Szene gesetzt werden, auch von so einem Nachtstück sprechen. Zudem, so erklärt es der Verlag, bezeichnet dies auch die aktuelle Saga der Batman-Heftserie „Detective Comics“. Dieser Sonderband versammelt einige, zusammenhängende Geschichten dieser Saga. Ob dieser Sonderband mehr auf dem Kasten hat, als ein schön klingendes Wort im Namen zu tragen? Hm.

Den Auftakt macht ein Ausflug zurück ins Jahr 1776, Gotham City war längst noch keine City, sondern eine Siedlung wie viele zur Zeit der amerikanischen Kolonialisierung. Es trug anno dazumal auch noch einen anderen Namen. Haufenweise Pöbel und Gesocks, das im Hintergrund finstere Machenschaften verfolgt und Gotham nach eigenem Dünken formen und gestalten will, gab es damals aber auch schon. Und ebenfalls damals, genauso wie eines Tages ein paar Jahrhunderte später, muss ein kleiner Junge mit ansehen, wie seine Eltern ermordet werden. Ich schätze, Ihr wisst auch so, was folgt, ohne dass ich das noch weiter ausführen muss. Außerdem im Spiel unter anderem eine Heilerin, die von religiösen Spinnern am liebsten auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, aber eine ganz besondere Gabe hat, sich die Natur untertan zu machen. Ich komm’ noch drauf, woran mich das erinnert. Logisch, hier werden viele Referenzen und Parallelen zu den heutigen Helden und Schurken gezogen, aber das ist mir in Summe alles etwas sehr platt.

Im weiteren Verlauf begegnen wir Jim Gordon, der nicht mehr Comissioner ist und irgendwie ganz schön struggelt mit seinem Leben. Er macht eher unfreiwillig Bekanntschaft mit einem jungen Mann, den wir in der Story zuvor schon erlebt haben. Im weiteren Verlauf dürfen wir dann einmal in die völlig verbeulte Psyche von Two-Face absteigen, der von den Drahtziehern hinter all dem Unfug den Auftrag bekommt, seine Psychotherapeutin über den Haufen zu ballern. Sie wüsste zu viel über ihn. Ach, sag bloß! Die wiederum macht im weiteren Verlauf Bekanntschaft mit Mr. Freeze, der an irgendwelchen Experimenten herumexperimentiert und dabei bedeutungsvoll in die gedachte Kamera äugt. Von dem Schatten, der die Nacht durchflattert, sehen wir in dem ganzen Sonderband kaum etwas. Was nicht weiter schlimm ist, denn die meisten Geschichten und Figuren und die Art, wie sie dargestellt werden, funktionieren sehr gut, ohne dass Batman da irgendwie mitmischen müsste. Wem das auf den Keks geht, dass sich Superhelden so oft nur ums gegenseitige Verdreschen drehen, bekommt hier eine wirklich sehr angenehme Abwechlsung geboten. Da haben die jeweiligen Autoren Ram V und Simon Spurrier wirklich ein paar interessante Ansätze gefunden. Gerade die Abschnitte mit Two-Face und Jim Gordon sind ziemlich coole Charakterstudien.

Und doch tu’ ich mich wirklich schwer mit diesem Comic. So richtig will es mir nicht gelingen, eine Empfehlung auszusprechen. Zu viele (teilweise unnötige) Dinge haben mir die Lektüre ein wenig madig gemacht. Auf der anderen Seite hatte dieser Comic aber eben so seine Momente. Das Abtauchen in die kaputte Psyche von Two-Face beispielsweise, oder Jim Gordon dabei zu beobachten, wie er als Ex-Commissioner durch das Leben strauchelt auf der Suche, ebendiesem noch einen Sinn zu geben – da glänzt der weitgehend ausgezeichnet geschriebene Comic mit hervorragenden, wenigstens schriftlichen Charakterzeichnungen. Auf der anderen Seite ist der Ausflug in die frühen Tage Gothams irgendwie Mumpitz. Auf Brechen und Biegen einen Batman auch in anderen (früheren) Zeiten einbringen zu wollen, ist ja nicht neu bei DC, finde ich aber ziemlich albern, nach wie vor. Dass sich gute Geschichten im Kontext des Dunklen Ritters erzählen lassen, ohne dass dieser dafür überhaupt auftauchen müsste, zeigen Serien wie der TV-Ableger „Gotham“. Und über weite Strecken auch dieser Comic. Die Zeichnungen sind Geschmackssache, denke ich. Nicht wirklich schön, eher so Graphic Novel-mäßig, aber dafür stimmungsvoll und passend. Was mir aber wirklich mächtig auf den Keks ging – aller Begeisterung für Typografie zum Trotz – ist die vorwiegend in den Abschnitten mit Jim Gorden teilweise viel zu kleine Schrift! Da besteht ein Panel teilweise aus nichts weiter als einem weißen Hintergrund und erzählendem Text darin. Hätte man da die Schrift nicht ein My größer machen können? Ich frage für Leute wie mich, deren Augen nicht (mehr) die allerbesten sind. Das habe ich mitunter als solches Ärgernis empfunden, dass ich mich wirklich zwingend musste, der guten Story zu folgen.

Und somit bleibt durchwachsener, irgendwie auch ambivalenter Eindruck. „Gotham Nocturne“ hat seine Momente, ja. Ist aber aufgrund genannter Mängel nichts, was ich als zwingend notwendige Lektüre einordnen würde.

Cover des Comics Batman - Detective Comics Sonderband - Gotham Nocturne von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
10. Oktober 2023
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Christopher Mitten, Dani, Hayden Sherman, Rafael Albuquerque
Inhalt
Ram V, Simon Spurrier
Storys
Detective Comics 1062–1071 (II), Detective Comics Annual 2022
Seiten
132
Unsere Wertung
3.1
Fazit
Und somit bleibt durchwachsener, irgendwie auch ambivalenter Eindruck. „Gotham Nocturne“ hat seine Momente, ja. Ist aber aufgrund genannter Mängel nichts, was ich als zwingend notwendige Lektüre einordnen würde.
Pro
Gerade die Handlungsbögen um Two-Face oder Jim Gorden glänzen durch tolle (schriftliche) Darstellungen der Charaktere
Batman tritt kaum in Erscheinung und das funktioniert wunderbar
Kontra
Der Ausflug ins Jahr 1776 ist Mumpitz. Warum muss auf Brechen und Biegen für jede Zeit ein als Fledermaus maskierter Vigilante herumirren?
Die Schrift ist teilweise drastisch zu klein! Selbst auf Panels, in denen einfach nichts ist als weißer Hintergrund.
3.1
Wertung
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