Cover der EP Shades of Gray von mind.in.a.box.

Was noch gesagt werden musste: „Shades of Gray“, die Remix-EP zu „Black & White“ von mind.in.a.box macht ein gelungenes Album noch runder

Foto: mind.in.a.box

Verdammte Axt, ich bin schon wieder viel, viel zu spät zur Party! Frei nach Deichkind: „Fete verpennt, Fete verpennt, Roman hat wieder die Fete verpennt!“ Wobei, verpennt habe ich das Thema, um das es mir jetzt gehen soll, nicht. Ich kam nur schlicht und ergreifend nicht eher dazu. Normalerweise würde ich Musikveröffentlichungen, die mehr als 4 Wochen zurückliegen, nicht mehr bearbeiten, weil ich mir immer denke: Wer will denn das jetzt noch lesen? Die Zielgruppe weiß längst, worum es geht, und für alle anderen ist der Zug schon abgefahren. Ich möchte dennoch einmal gerne kurz zurückspulen, wenn das für Euch okay ist. Weil mir das ungeheuer wichtig ist. Ungefähr Mitte August hatte ich an dieser Stelle das Vergnügen, Euch das unfassbar gute Album „Black & White“ von mind.in.a.box vorzustellen. Das neuerliche Abenteuer in der Welt des Dreamwebs war (und ist) ein Meilenstein dunkelelektronischer Musik. Nie zuvor war ein Konzeptalbum, das so konsequent einer Handlung folgt, erschaffen worden. Und eigentlich könnte man skeptisch sein, ob sich mind.in.a.box an dieser Stelle noch einmal werden übertrumpfen können. Aber das hatte ich damals, 2017 im Rahmen der Veröffentlichung von „Broken Legacies“ auch schon mal als Frage in den Raum gestellt. Deswegen verkneife ich mir jeglichen Spekulatius einfach und komme zu den harten Fakten. In dem Interview, das ich mit dem musikalischen Kopf hinter mind.in.a.box, Stefan Poiss, führte, erklärte er, er würde an einer Remix-EP einiger Songs von „Black & White“ arbeiten. Die dann, nur wenig später, tatsächlich auch veröffentlicht wurde. Rein digital, dieses Mal. Jaja, ich weiß, ich hab’ die Fete verpennt. Aber dennoch ein paar Worte zu diesem musikalischen Geschwisterchen namens „Shades of Gray“.

Machen wir uns mal ehrlich: Wenn von einer Remix-EP die Rede ist, dann wird wohl nicht nur bei mir die Vorstellung durch den Kopp geistern, dass sich die gebotenen Mixe ganz wesentlich von den Originalen unterscheiden. Als würde, mal mehr, mal weniger erfolgreich, versucht werden, eine andere Seite, eine andere Facette zu beleuchten. Das ist auch oft der Fall. Bei „Shades of Gray“ verhält es sich ein wenig anders. Das ist insofern auch kaum verwunderlich, da alle neuen Mixe auch von mind.in.a.box stammen. Demnach ist das hier weniger ein Beleuchten neuer Seiten eines Songs, als viel mehr ein „was noch zu sagen wäre“. Die meisten Mixe wirken auf mich insgesamt etwas mutiger als die bereits bekannten Fassungen, dennoch entfernen sie sich niemals allzu weit weg von dem, was wir auf „Black & White“ zu hören bekamen. Würde man „Black & White“ neu auflegen und packte stattdessen die neuen Fassungen auf in die Tracklist, es würde bei oberflächlicher Betrachtung vermutlich im ersten Moment gar nicht so sehr auffallen.

Ich möchte bitte, dass das nicht negativ verstanden wird. Es gibt sie sehr wohl, die feinen Unterschiede zwischen den Originalen und den neuen Versionen. Vielleicht muss man dafür ein kleines bisschen genauer hinhören. Was ist aber der Nebeneffekt dieses aufmerksamen Lauschens? Ganz klar: man wird noch mehr in das Dreamweb hineingezogen. Man verschwindet noch mehr in dieser abgefahrenen und nach wie vor einzigartigen Welt, die Stefan Poiss und seine Mitstreiter hier geschaffen haben.

„New Wave Propaganda“ als Club Mix beispielsweise tönt sehr viel perkussiver aus den Boxen, wirkt auch eine Spur schneller – und schindet damit bei mir ungleich mehr Eindruck, als die Fassung, die auf dem Album vorliegt. Ich möchte einen Kochlöffel nehmen und auf einem Kochtopf herumklopfen, nebenbei mit den Füßen wackeln und den Refrain aus voller Inbrunst mit trällern. Ich bin mir sicher, meine Nachbarn werden es mir danken. Das ist es, was diese Fassung des Songs mit mir macht. Eine deutliche Steigerung gegenüber dem Original.

Ferner freue ich mich über „Fire and Lace“, dem einzigen neuen Song der hier versammelten sechs Stücke, bei dem ich mich frage, warum es dieses Lied nicht mit auf das Album geschafft hat. Vielleicht wegen der (meinem Empfinden nach) gefühlten Nähe zu Liedern wie „Sometimes Never“ und „Drowning in the Fire“? Darüber kann ich wieder einmal nur spekulieren. Im Prinzip ist es auch egal. Wir können diesen Song nun an der (jeweils für uns) passenden Stelle in unsere persönlichen Playlists einbauen.

Halten wir uns mal kurz mit den Fakten auf: Die gebotenen Mixe sind bei oberflächlicher Betrachtung nicht sooo weit weg vom Original. Der einzig neue Song „Fire and Lace“ ist musikalisch zwischen den genannten Songs des Mutteralbums zu verorten. Die EP beinhaltet sechs Songs. Braucht man das? Die Frage stellt sich nicht, da sich diese Ergänzung jeder in die Gehörgänge schieben könnte, der Zugang zu Spotify hat. Ohne Aufwand, ohne zusätzliche Kosten. Aber auch wenn dem nicht so wäre, und diese EP ausschließlich als physischer Tonträger erhältlich wäre, dann könnte die Antwort nur sein: ja, natürlich! Stefan Poiss zeigt hier, dass er musikalisch immer noch mehr zu sagen hat. Dass er immer noch ein „hier, einen hab’ ich noch!“ obendrauf setzen kann. Und dass es bei kaum einer Band im düsterelektronischen Bereich so viel Spaß machen kann, genau hinzuhören, sich in die Musik entführen zu lassen. Ich jedenfalls freue mich über diese EP, da sie dem Originalalbum ganz feine, aber durchaus sehr wesentliche neue Facetten abgewinnt. Ich wünschte, Stefan würde so was öfter machen.

Cover der EP Shades of Gray von mind.in.a.box.
Erscheinungsdatum
3. Oktober 2023
Band / Künstler*in
mind.in.a.box
Album
Shades of Grey
Unsere Wertung
4.5
Fazit
Halten wir uns mal kurz mit den Fakten auf: Die gebotenen Mixe sind bei oberflächlicher Betrachtung nicht sooo weit weg vom Original. Der einzig neue Song „Fire and Lace“ ist musikalisch zwischen den genannten Songs des Mutteralbums zu verorten. Die EP beinhaltet sechs Songs. Braucht man das? Die Frage stellt sich nicht, da sich diese Ergänzung jeder in die Gehörgänge schieben könnte, der Zugang zu Spotify hat. Ohne Aufwand, ohne zusätzliche Kosten. Aber auch wenn dem nicht so wäre, und diese EP ausschließlich als physischer Tonträger erhältlich wäre, dann könnte die Antwort nur sein: ja, natürlich! Stefan Poiss zeigt hier, dass er musikalisch immer noch mehr zu sagen hat. Dass er immer noch ein „hier, einen hab’ ich noch!“ obendrauf setzen kann.
Pro
Sechs Songs bietet diese EP, die in vielen Fällen feine, aber bemerkenswerte Unterschiede hörbar macht
Damit ist es wie ein "was noch zu sagen wäre"
Mit "Fire and Lace" spannender neuer Song in der Playlist
Kontra
Man könnte, wenn man denn wollte (muss man aber nicht) kritisieren, dass die Remixe dicht bei den Originalen bleiben
4.5
Wertung
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