Schwarzweißes Portraitfoto von Torben Wendt. Er schaut ernst in die Kamera.

Im Gespräch: Interview mit Torben Wendt von Diorama anlässlich der Veröffentlichung von „Fast Advance Fast Reverse“

Foto: Thomas Wuhrer

Mit „Fast Advance Fast Reverse“ servierten Diorama kurz vor dem Fest noch ein eben solches in akustischer Form für ihre Fans. Das erste Remix-Album seit dem 2005er-Album „Repale“ kam sowohl bei den Konsument*innen wie auch in der Pressse außerordentlich gut weg. Zumindest sind das die Beobachtungen, die ich in meiner Filterblase gemacht habe. Die Veröffentlichung dieses Albums, für das Begriffe oder Umschreibungen wie „Remix-Album“ oder „musikalische Ergänzung“ eigentlich viel zu tief gestapelt sind, habe ich zum Anlass genommen, Torben Wendt mal eine Handvoll Fragen zu stellen. Was er mir und somit Euch zu erzählen hatte, erfahrt Ihr jetzt. Viel Spaß!

Roman Empire: Hallo Torben! Als wir uns das letzte Mal ausgetauscht haben, ging es um „Tiny Missing Fragments“, das zu dem Zeitpunkt gerade das Licht der Welt erblickt hatte. Heute sprechen wir über das musikalische Geschwisterchen „Fast Advance Fast Reverse“. Im November 2020 war das bestimmende Thema die Pandemie, seitdem ist die Welt nicht unbedingt besser geworden. Daher zum Einstieg die Frage: wie geht es Dir, wie ist es Dir in der Zwischenzeit ergangen?

Torben Wendt: Ja danke, man schlägt sich so durch. Im Vergleich dazu, wie es anderen Menschen geht, die sinnlos mit Bomben drangsaliert oder für die Teilnahme an Demonstrationen hingerichtet werden, bin ich über vieles froh und dankbar. Mein Alltag ist ausgefüllt mit Dingen und wenn ich mal Leerlauf habe, schmiede ich Reisepläne.

Roman Empire: Wenn ich mich nicht irre, ist „Fast Advance Fast Reverse“ das erste (und damit insgesamt zweite) Remix-Album seit dem 2005-er Album „repale“. Warum gab es da so lange kein weiteres Album dieser Art? Und warum aber gerade jetzt?

Torben Wendt: Letztens habe ich das Erscheinen von FAFR damit begründet, dass wir einfach wahnsinnig heißes Material an der Hand hatten. Und so ist das auch. Zwei unserer Reutlinger Musikerkollegen, namentlich „Broken Spencer“ und „CHRCTRS“ (die es gar nicht mehr so gibt, aber das ist eine andere Geschichte), kamen im Nachgang zu tiny missing fragments auf uns zu mit dem Wunsch, einen Remix anzufertigen. Was dabei entstanden ist, hat uns derartig geflasht, dass wir gemeinsam mit dem Label direkt einen Schritt weiter gedacht haben, ob wir daraus nicht überhaupt etwas Größeres stricken sollten. Und so kam eins zum anderen. Bei den letzten Releases war sowas irgendwie kein Thema, ich habe aber auch nichts vermisst.

„»Gasoline« auf Grundlage Zuras fantastischer Gitarrenspuren nochmals in einer gänzlichen anderen Stimmung einzusingen und am Ende Felix ausgefeilte zweite Stimme dazu zu arrangieren, war zum Beispiel ein absolutes Highlight.“

Roman Empire: Wie war das eigentlich, noch einmal in die Songs und die damit verbundenen Themen abzutauchen? Wie hat sich das angefühlt? Ich kann mir vorstellen, dass das mitunter schwierig ist, sich noch einmal so intensiv mit einem Song zu beschäftigen, als „nur“ auf der Bühne zu stehen und ihn zu spielen. Zumal Du in unserem letzten Interview auch sagtest, in der „Zero Soldier Army“-Phase sei es Dir nicht so gut gegangen. In dem Zusammenhang: War das der Grund, warum „ZSA“ keine weitere Behandlung erfahren hat, nachdem es veröffentlicht wurde?

Torben Wendt: Die sehr zufrieden stellende Veröffentlichungsphase von tiny missing fragments mit dem Remix-Projekt noch ein bisschen zu verlängern, war schon ein behaglicher Gedanke. Das wäre zu ZSA-Zeiten nicht ganz so der Fall gewesen, wobei es weniger an den Songs liegt, als am ganzen Drumherum. Die neuen Versionen für FAFR anzufertigen hat großen Spaß gemacht und ging wunderbar von der Hand. „Gasoline“ auf Grundlage Zuras fantastischer Gitarrenspuren nochmals in einer gänzlichen anderen Stimmung einzusingen und am Ende Felix ausgefeilte zweite Stimme dazu zu arrangieren, war zum Beispiel ein absolutes Highlight. Das sind solche Momente, für die man es macht.

Roman Empire: Habe ich das richtig herausgehört, dass zumindest für Eure eigenen Edits/Remixe der Gesang neu aufgenommen wurde? Wie sieht es mit dem Rest aus? Sind das auch komplett neue Kreationen oder waren das schon bestehende Song-Skizzen/-Ideen, die für das Hauptalbum aber (erst einmal) verworfen worden sind?

Torben Wendt: Die externen Remixer haben mit den Vocal-Spuren gemäß Album gearbeitet, wohingegen ich unsere eigenen Edits alle neu eingesungen habe. Auch wenn hie und da aus der Produktionsphase des Originalalbums eine Idee oder grobe Skizze vorlag, haben wir mit diesen Versionen eigentlich doch bei null angefangen, als wären es vollwertige neue Ansätze.

„Es ist toll zu sehen, was für eine energiegeladene und respektvolle Zusammenarbeit zustande kommen kann, wenn man einfach mal den ersten Schritt macht.“

Roman Empire: Ihr habt ja allerhand Gäste zu Euer „Fast Advance Fast Reverse“-Party geladen. Aber wie kam es eigentlich dazu? Seid Ihr auf die jeweiligen Künstler zugegangen, haben die sich bei Euch gemeldet oder wie kann ich mir das vorstellen?

Torben Wendt: Teils, teils. Als Teil dieser wunderbaren Dunklen Szene und als einer der Protagonisten des Reutlinger Elektro-Undergrounds ist man eh viel in Kontakt und in gemeinsamen Projekten mit dem befreundeten Künstler-Netzwerk. Da sind dann die Wege nicht weit, gegenseitige Remixe und Ähnliches zu organisieren. Richtig out of the blue angeklopft habe ich eigentlich nur bei Sami von Faderhead; der wäre von sich aus wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, für diorama aktiv zu werden. Es ist dann aber toll zu sehen, was für eine energiegeladene und respektvolle Zusammenarbeit zustande kommen kann, wenn man einfach mal den ersten Schritt macht.

Roman Empire: Hatten die remixenden Akteure freie Hand bei der Wahl des Songs? Oder hättet Ihr im Zweifelsfall vielleicht auch ein Veto eingelegt, weil die auf „Tiny Missing Fragments“ vorhandene Version die definitive, endgültige Version eines Songs ist? Ich frage, weil „Fast Advance Fast Reverse“ dreimal „iisland“ beinhaltet und jeweils zweimal „Horizons“ und „Gasoline“, das Hauptalbum aber natürlich deutlich mehr Songs auf Lager hatte.

Torben Wendt: Die Künstler hatten freie Hand und ich sehe es positiv, dass es erwartungsgemäß die zugänglicheren Nummern geworden sind – mit Ausnahme von „dark pitch“, wobei ich sagen muss, dass CHRCTRS hier einen wunderbar flüssigen und eleganten Zugang gefunden haben. So blieben Spezialsongs wie „irreversible“, „charles de gaulle“ und „orbitalia“ unangetastet, die vielleicht weniger robust und immun dagegen sind, durch Neuinterpretationen ein Stück weit verwässert oder Ihrer Magie beraubt zu werden.

Roman Empire: An dieser Stelle würde ich gerne den obligatorischen Blick in die Kristallkugel bemühen wollen: Hast Du bzw. habt Ihr schon eine Idee, worauf sich Eure Fans als Nächstes freuen können? Was ist geplant im Diorama-Universum?

„Aus künstlerischer Sicht wird 2023 das dominante Thema sein, neue Songs und Texte zu erarbeiten.“

Torben Wendt: Aus künstlerischer Sicht wird 2023 das dominante Thema sein, neue Songs und Texte zu erarbeiten. Wahrscheinlich werden wir zugunsten der kreativen Zeitfenster etwas sparsamer mit Auftritten sein. Ich meine, wenn das Angebot einer 3-wöchigen USA-Tour (idealerweise inkl. Hawaii) kommt, sag ich auch nicht Nein. Aber grundsätzlich sehne ich mich nach viel Freiraum für neuen In- und Output.

Roman Empire: Wie üblich würde ich die letzten Worte gerne meinem Gesprächspartner, also Dir, überlassen und sage schon mal vielen Dank, alles Gute – und bis zum nächsten Mal!

Torben Wendt: Lieben Dank für das Interesse und das Zusammenwirken. Und ja, bis zum nächsten Mal. Gerne.

Erscheinungsdatum
9. Dezember 2022
Band / Künstler*in
Diorama
Album
Fast Advance Fast Reverse
Label
Accession Records
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