Titelgrafik zu Command and Conquer Remastered Collection.

Angespielt: Command & Conquer Remastered Collection

Foto: Electronic Arts

Ein bisschen bewundere ich ja schon diese Leute, die irgendwelche Spiele, die sie vor vielen Jahren mal gezockt haben, auch heute noch mit Genuss daddeln können. Ich gehöre nicht dazu. Wirklich jedes Mal, wenn ich mich nochmals an ein Computerspiel gewagt habe, das ich vor gefühlten Ewigkeiten mit Feuereifer in der Mache hatte, ist von der damaligen, mitunter jugendlichen Faszination nichts mehr übrig geblieben. Ganz im Gegenteil; so manches Mal habe ich mich gefragt, wie ich das Geschehen da auf dem Monitor jemals gut Kunden konnte. Oft genug waren diese Spiele für mich also nur noch eines: alt. Und dabei nicht gut gealtert. Seit einigen Jahren ist es in der Spieleindustrie große Mode, Remakes oder, wenn es Knanziell nicht ganz so aufwendig ausfallen soll, Remaster auf den Markt zu werfen. Sprich: Man nimmt salopp gesagt ein Spiel von anno dazumal, das es zu einem gewissen Kultstatus unter den Zockenden gebracht hat, skaliert die Grafik hoch und kassiert mit alter Kacke von 1812 nochmal ein hübsches Zubrot. Mit der Erfahrung, bisher jedes Mal enttäuscht worden zu sein, habe ich diese Remaster/Remakes bislang genauso ignoriert wie die steinalten Originale und meine inzwischen sehr überschaubar gewordene Zeit, die zum Zocken zur Verfügung steht, in jeweils aktuelle Titel investiert. Und dann kommt Electronic Arts um die Ecke und kündigt ein Remaster an von einem Spiel, das inzwischen ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat und das ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Faszination für Computerspiele auf mich übergesprungen ist: Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt. Und entgegen jeglicher Erfahrungen und Überzeugungen musste ich dieses Mal einfach herausfinden, ob von der ursprünglichen Faszination noch was da ist – oder ob auch C&C einfach nur alt geworden ist.

1995 war ein Jahr, in welchem das Genre der Echtzeitstrategiespiele einen großen Sprung nach vorne machte. Zwar gab es damals schon WarCraft von Blizzard (die sich später mit World of WarCraft dumm und dämlich verdienen sollten), Perlen wie die Age of Empires-Reihe von Microsoft und viele, viele andere wären vielleicht nicht denkbar gewesen, hätten die Westwood Studios (2003 final in Electronic Arts aufgegangen) damals nicht den Nachfolger im Geiste ihres Strategiespiels Dune 2 – Kampf um Arrakis, das als Begründer des Genres angesehen wird, veröffentlicht. Anstatt auf dem Wüstenplaneten kriegerische Auseinandersetzungen um Spice zu führen, verlegte man das Geschehen auf die Erde, wo sich die GDI (Globale Defensiv Initiative) mit der Bruderschaft von Nod um das wertvolle Mineral Tiberium beharkten. Command & Conquer schlug buchstäblich ein wie eine Bombe.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Für den Erfolg gab es vielerlei Gründe, nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen haben dürfte die für damalige Verhältnisse phänomenale Präsentation mit sogenannten FMVs (Full Motion Videos), in denen echte Schauspieler zu sehen waren, der auch heute noch überragende Industrial-Soundtrack von Frank Klepacki und die seinerzeit geradezu überdimensionale Auslieferung auf zwei CD-ROM-Silberlingen. Ich möchte nicht wissen, wie viel Zeit meines Lebens mich dieses Spiel gekostet hat. Command & Conquer war der Grund, meinen damaligen Computer nebst 13“-VGA-Röhrenmonitor durch halb Berlin zu meinem Kumpel zu schleppen, um im lokalen Netzwerk Stunde um Stunde zu zocken. Unvergessen auch jene Szene damals, wo ich mit eben diesem Computer in einem Mehrpersonenzelt im Garten meiner Großeltern an der Ostsee hockte und C&C suchtete, während sogenannter ergiebiger Dauerregen so langsam in jenes Zelt gekrochen kam. Was man eben so machte in den Sommerferien.

Auch das, was ursprünglich als Erweiterung geplant und schlussendlich als Fortsetzung verkauft wurde, spielte ich mit nicht weniger hohem Genuss. Wenn nicht sogar aufgrund der größeren spielerischen Möglichkeiten noch ein bisschen lieber: Command & Conquer 2: Alarmstufe Rot. Eigentlich losgelöst von dem Geschehen um die Tiberium-Konflikte wurde erst versucht, ein Handlungsbezug herzustellen, was dann aber letztlich doch verworfen wurde und man ganz dem eingeschlagenen Pfad eines alternativen Universums folgte, in dem der Zweite Weltkrieg nie stattgefunden hatte – einfach, weil Einstein Hitler mittels Zeitreise aus dem Weg räumte. Und dafür dann aber sich die Sowjets unter Stalin anschickten, die Welt erobern zu wollen.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Wie bei Spielen dieser Art üblich konnte (und kann!) man in beiden besagten Spielen jeweils eine Kampagne für beide Parteien spielen. Also entweder GDI/Nod bzw. Alliierte/Sowjets. Jede Seite bekam dabei nicht nur eigene Missionen und FMVs, sondern auch ganz eigene Einheiten, die jeweils andere Taktiken erfordert. Von gelegentlichen Abweichungen bestand das Ziel einer Mission für gewöhnlich darin, den Gegner von der Karte zu fegen. Dafür galt es, zunächst einen Stützpunkt zu errichten, Rohstoffe einzusammeln (Tiberium oder Erz, je nach Spiel), um damit an finanzielle Mittel für die Errichtung einer schlagkräftigen Armee, bestehend unter anderem aus Infanterie und Panzern, ab Alarmstufe Rot auch mit Wassereinheiten, zu gelangen – und dann durch geschicktes Vorgehen die eigenen Verluste so gering, den zugefügten gegnerischen Schaden aber gleichzeitig so hoch wie möglich zu gestalten.

Das soll als grobe Zusammenfassung reichen, einschlägige Spielemagazine wie 4Players bieten mitunter sehr gelungene Übersichten über die Historie von Command & Conquer, die in den Jahren seit 1995 noch einige Fortsetzungen mehr mitbrachte – und die Fans Zeuge werden ließ, wie der einstige Genre-Primus immer weiter in die Mittelmäßig- und Belanglosigkeit abdriftete. Von einem vor nicht allzu langer Zeit erschienen Spielchen, das für aktuelle Smartphones erhältlich ist und mit C&C im Wesentlichen nur den Namen gemeinsam hat, abgesehen, konnte man durchaus vermuten, Electronic Arts hätte das Interesse an der Marke verloren. Wäre ja nicht das erste Mal in der langen Geschichte EAs. Und nun also das Remaster der ersten beiden Teile.

Ordentlicher Umfang, Grafik in 4K mit neu erstellten Modellen, die noch immer dämliche KI und der Score von Frank Klepacki

Gefühlt eher untypisch hat EA sich dieses Mal definitiv nicht lumpen lassen und in Bezug auf den Umfang ein richtig dickes Paket geschnürt. So beinhaltet die Command & Conquer Remastered Collection sämtliche Erweiterungen und Missionen, die jemals auf den Markt kamen – selbst jene, die damals nur für die Playstation 1-Version des ersten Teils erstellt wurden. Der gefeierte Soundtrack von Frank Klepacki ist im Original dabei sowie in einer neu abgemischten Variante nebst neu eingespielten Versionen, sodass der Soundtrack alleine auf eine Spielzeit von sieben Stunden kommt. Die Videos wurden mittels KI hochskaliert und nachgeschärft, um auf den heutigen, teilweise sehr hochauflösenden Monitoren ein gutes Bild abzugeben. Ich zocke auf einem 5K iMac mit Bootcamp-Setup und kann bestätigen: Das Ergebnis ist dafür, dass das Ausgangsmaterial nach heutigen Maßstäben echt für die Tonne ist, überraschend ansehnlich geworden. Auch wenn man natürlich keine Wunder erwarten darf und einem nun erst recht der trashige Charakter der Videos ins Auge fällt. Mein 13-jähriges Ich hat damals aber davor gesessen und Bauklötze gestaunt. Mein 38-jähriges Ich schaut diese Videos heute mit einigem Amüsement.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Ähnlich verhält es sich mit der Grafik, die EA auf 4K-Auflösung hochpoliert hat. Dabei wurden sämtliche Grafiken des Originals noch einmal neu geschaffen, sodass das Spiel gleichermaßen retro und doch ansehnlich wirkt. Auch hier gilt: Ein Vergleich zu aktuellen Titeln des Genres wäre ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Der Charme des Originals sollte ganz offensichtlich beibehalten werden und das ist meines Erachtens gut gelungen. Apropos Charme des Originals: Einmal die Leertaste drücken und die Remastered Collection erstrahlt im Glanz von damals. Wobei „Glanz“ sehr relativ ist. Wenn ich mir diesen Pixelmatsch anschaue, kann ich mir heute nicht mehr vorstellen, dass mich das damals Stunde um Stunde vor den 13″-Röhrenmonitor gefesselt hat. Heute hätte ich echt große Mühe damit zu erkennen, was die sich bewegenden Pixelhaufen eigentlich darstellen sollen. Da ist die aufgebohrte Variante dazu doch ein Unterschied wie Tag und Nacht.

EA hat die Entwickler von Petroglyph und den Lemon Studios an die Arbeit gelassen, die sich zum Teilen aus Entwicklern der Originale zusammensetzen. Und die vor allem eines gemacht haben: Von Anfang an auf die Community gehört! So gibt es durchaus ein paar Dinge, in denen sich die Remastered Collection der Moderne annähert, beispielsweise hinsichtlich der Steuerungsoptionen oder dem beigefügten Karteneditor, den freispielbaren Erfolgen, Unterstützung für Mods sowie aktuellen Online-Funktionen inklusive Ranglisten und Zuschauermodus. Ansonsten sind die Spiele, abgesehen von Optik, Sound und Steuerung, im Prinzip die gleichen ollen Kamellen wie damals, 1995 und 1996.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Übrigens: Die seinerzeit vorgenommene Zensur (etwa in den Zwischensequenzen oder dem Umstand, dass es damals noch Roboter waren, die über das Schlachtfeld gesteuert wurden), wurden rückgängig gemacht. Das führt zu dem merkwürdigen Umstand, dass das Pixelblut nun rot ist, in den Zwischensequenzen aber immer noch von Cyborgs die Rede ist. Neu synchronisiert wurde demnach nicht.

Das ist einerseits gut, weil die Mischung aus der Präsentation und dem Gameplay einen Nostalgie-Charme versprüht, der selbst mich, der sich ja wie gesagt bisher nie von irgendwelchen Remaster hat abholen lassen, begeistert. Wenn ich die Remastered Collection zocke, ist es tatsächlich noch einmal wie 1995 – und unzählige Erinnerungen, die gar nicht mal direkt was mit C&C zu tun haben, kommen ganz plötzlich zurück.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Und gleichzeitig ist es auch schlecht. Weil die Fehler, die das Original ausmachten, wurden mit übernommen. Stichworte sind hier die selten dämliche KI oder die Pfadfindungsprobleme, gerade und ganz besonders bei den Einheiten, welche die Rohstoffe abbauen sollen.

Dann wiederum denke ich mir, dass das vielleicht sogar so gewollt ist. Schließlich haben sich die Beteiligten so spürbar viel Mühe damit gemacht, C&C einerseits optisch und technisch auf einen heute spielbaren und akzeptablen Stand zu bringen und gleichzeitig das, was die Reihe in ihren frühen Tagen ausmachte, beizubehalten. Ich bin mir sicher, dass es ihnen möglich gewesen wäre, eine cleverere KI zu programmieren oder den spielerischen Umfang aufzustocken, wenn das ihr Anliegen gewesen wäre. Man muss sich wohl einfach bewusst machen, dass es schlicht ein Remaster ist, kein Remake oder gar Reboot. Und dass Command & Conquer inzwischen 25 Jahre auf dem Buckel hat. Ein Vierteljahrhundert! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Screenshot aus dem Spiel Command and Conquer Remastered Collection.
Foto: Electronic Arts

Ich bin mir unsicher, ob Electronic Arts mit dieser Veröffentlichung neue Zielgruppen erschließen kann. Der jüngeren Generation wird dieses Command & Conquer vermutlich trotz der vielen technischen Aktualisierungen schlicht weiterhin zu altbacken sein. Es ist eben ein altes Spiel. Gerade im Hinblick auf das Gameplay hat sich im Genre in den Jahren seit Alarmstufe Rot viel getan. Und die alten Säcke wie ich, die das damals miterlebt haben – nun, die haben heute mitunter keine Zeit und/oder keinen Draht mehr zum Zocken. Mir persönlich hat dieser Ausflug zurück in die Jahre 1995 und 1996 allerdings überraschend viel Spaß gemacht! Der Umfang ist mächtig, vor allem auch wegen der vielen bildlichen Einblicke hinter die Kulissen, der Preis von rund 20 Euro mehr als fair und die Modernisierungen auf einem Niveau, von dem ich sagen würde: Jo, macht das Spiel spiel- und anschaubar fit für die nächsten Jahre, behält aber gleichzeitig den Spirit von anno damals bei. Es wirkt auf mich wie ein Liebhabereiprojekt und ein Geschenk an die Fans.

Ein bisschen hoffe ich ja, dass die Remastered Collection erfolgreich genug ist, um Electronic Arts zu zeigen, dass immer noch Bedarf an Echtzeitstrategie der Marke Command & Conquer herrscht – mit allem, was dazu gehört: Rohstoffe sammeln, Basen errichten, Einheiten bauen und vor allem mit GDI, Nod und deren charismatischen Oberbösewicht Kane, dafür aber ohne Aliens oder sonstigen Firlefanz. Und nein, liebe Leute von EA, das bedeutet nicht, dass Ihr die anderen Teile zwangsläufig auch noch einmal neu auflegen müsst. Die Command & Conquer Remastered Collection war eine tolle Zeitreise zurück, damit ist es aber auch gut. Jetzt wäre es meines Erachtens Zeit für etwas Neues.

Cover des Spiels Command and Conquer Remastered Collection von Electronic Arts.
Erscheinungsdatum
5. Juni 2020
Studio
Petroglyph Games (Electronic Arts)
Plattform(en)
PC
Unsere Wertung
3.9
Fazit
Ein bisschen hoffe ich ja, dass die Remastered Collection erfolgreich genug ist, um Electronic Arts zu zeigen, dass immer noch Bedarf an Echtzeitstrategie der Marke Command & Conquer herrscht – mit allem, was dazu gehört: Rohstoffe sammeln, Basen errichten, Einheiten bauen und vor allem mit GDI, Nod und deren charismatischen Oberbösewicht Kane, dafür aber ohne Aliens oder sonstigen Firlefanz. Und nein, liebe Leute von EA, das bedeutet nicht, dass Ihr die anderen Teile zwangsläufig auch noch einmal neu auflegen müsst. Die Command & Conquer Remastered Collection war eine tolle Zeitreise zurück, damit ist es aber auch gut. Jetzt wäre es meines Erachtens Zeit für etwas Neues.
Pro
Viel Spiel für wenig Geld - und das, obwohl der originale Quellcode nur noch in Teilen geborgen werden konnte
Grafisch aufpoliert und dabei im Spagat zwischen "Charme von damals erhalten" und "Vorwürfe der Lieblosigkeit vermeiden"
Volle Packung auch musikalisch: alles in allem kommt der geniale Soundtrack von Frank Klepacki hier auf eine Spielzeit von rund sieben Stunden
Kontra
Ob das ein Makel ist, darüber lässt sich streiten, aber die KI- und Wegfindungsprobleme sind offensichtlich nicht angefasst worden
3.9
Wertung
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