Cover des Comics Sandman - Dead Boy Detectives: Das Geheimnis der Unsterblichkeit von Panini Comics.

Von einem, der auszog, um Kindern das Leben zu entziehen und ewiges Leben zu erlangen: „Sandman – Dead Boy Detectives: Das Geheimnis der Unsterblichkeit“

Foto: Panini Comics

Es ist gerade mal knapp einen Monat her, dass wir an dieser Stelle einen Blick auf die Comicabenteuer der toten Detektiv-Jungs Charles Rowland und Edwin Paine geworfen haben. Falls Ihr jetzt erst dazugekommen seid, eine kurze Abholung: Die beiden Jungs gingen auf das gleiche Internat in England – und sind beide ziemlich tot. Der eine starb am Anfang des 20. Jahrhunderts, der andere an dessen Ende. Und beide haben sich Death, der Schwester von Dream – eine der, wenn nicht sogar die zentrale Figur aus Neil Gaimans „Sandman“-Universum – widersetzt. Und sind nun als Geister unterwegs, die sich ihre zugegeben enorme Tagesfreizeit damit vertreiben, als Nachwuchsdetektive Kriminalfälle zu lösen. Wer „Sandman“ kennt, sei es durch die fantastischen Werke Neil Gaimans oder der gelungenen Adaption als Serie bei Netflix, wird schon ahnen, dass die Fälle des untoten Duos gerne mal ins Übernatürliche abdriften. So bekamen sie es im zuletzt von Panini Comics veröffentlichten Band, „Fremde Geister unerwünscht!“, mit Monstern zu tun, deren Ursprung in der asiatischen Welt liegt. Dass sie dabei der Hexe Thessaly in die Falle getappt sind, war nur die Sahnehaube einer rundherum gelungenen Comiclektüre, die den Klassikern von Gaiman in nichts nachstand. Unser Thema heute ist „Dead Boy Detectives: Das Geheimnis der Unsterblichkeit“ und ob der Band trotz des eher unspektakulären Titels mit dem Vorgänger mithalten kann, das schauen wir uns jetzt mal an.

Wobei – Vorgänger ist relativ. Würde man das ursprüngliche Erscheinungsdatum in Betracht ziehen, dann ist wohl „Das Geheimnis der Unsterblichkeit“ das ältere Abenteuer. Ursprünglich erschien diese Story drüben in den Staaten erstmals anno 2001, das andere Moped hingegen ist von 2023. Aber nachdem ich nun fertig bin, ein paar Erbsen zu zählen, zurück zum eigentlichen Thema. Unser dynamisches Duo scheint hier bislang nicht so richtig in der selbst gewählten Rolle als Detektive angekommen zu sein und verbringt die Tage mit Dingen, die Jungs im Teenager-Alter eben so machen. Bis eines Tages Kundschaft des Ausreißermädchens Marcia ihr Büro inmitten eines Baumhauses, errichtet vor einer Villa, in der es nicht minder zu spuken scheint, aufsucht und die beiden Jungs um Hilfe bittet. Ein Mörder treibt in der Stadt London sein Unwesen – und er hat es auf Kinder abgesehen! Auf Kinder wie sie, die niemand vermisst, weil sie durch das Raster gefallen sind. Und als wäre das allein nicht schon scheußlich genug, so ist der Tod, der jenes Monster den Kindern herbeiführt, schrecklich und seltsam gleichermaßen. Es wirkt beinahe so, als sei den Kindern die Essenz ihres Lebens entzogen worden, bis nichts übrig blieb, als ein lebloser, verschrumpelter Haufen Menschenfleisch. Selbstredend nehmen Charles und Edwin die Ermittlungen auf. Unterwegs begegnen ihnen einige sehr skurrile Charaktere, die – entgegen bisheriger Erfahrungen – sehr wohl in der Lage sind, die Jungs nicht nur zu sehen und auch mit ihnen zu sprechen. Und sie machen die Bekanntschaft mit einem zwielichtigen Mann namens Marquis de Marquez (dieser Name!), der seinerseits behauptet, ebenfalls Jagd auf den Mörder zu machen. Warum der Mörder tut, was er tut, finden die Jungs relativ schnell heraus: der Typ ist bereits seit rund 500 Jahren unterwegs und war so besessen von der Idee, die Zeit verlangsamen zu wollen – und zwar so wie jene Tage der Kindheit, als die Sommer endlos schienen und Tage gefühlt nahezu niemals vorübergingen – dass er irgendwann, irgendwie einen Weg fand, unsterblich zu werden. Den Preis dafür, den hatten andere zu zahlen: Kinder.

Geschrieben wurde diese Geschichte von Ed Brubaker, der im Laufe seiner Karriere ins Krimi-Fach wechselte und auch, wenn er schon für die großen Verlage DC und Marvel diverse Projekte betreute und umsetzte, nie wieder wirklich davon losgekommen ist. Und so liest sich dieses kleine, übernatürliche Abenteuer auch ein wenig wie eine klassische Detektivgeschichte. Es ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die Story ursprünglich auf vier Hefte konzipiert war – in jenen Tagen kein so ungewöhnlicher Umfang für eine Mini-Serie – und daher leider ziemlich schnell klar wird, wer hier der Übeltäter ist. Will sagen: die Karten werden für meinen Geschmack ein bisschen zu schnell, zu offensichtlich und vor allem zu früh aufgedeckt. Das ändert aber nichts daran, dass „Das Geheimnis der Unsterblichkeit“ wieder unterhaltsame Lektüre im „Sandman“-Universum geworden ist. Dass sich Brubaker bei der Charakterisierung und dem biografischen Background seines Bösewichts offensichtlich am Dracula-Mythos orientiert hat (keine Sorge, Vampire gibt es keine) – geschenkt. Interessanter fand ich die ursprüngliche Motivation für sein tun. Nämlich, schlicht die Zeit zu verlangsamen und, in gewisser Weise, kostbare Momente konsumieren zu können. Das gibt dem ganzen einen angenehm frischen Wind, auch gefallen mir die anderen Figuren, die diesen Comic bevölkern und die dem toten Detektiv-Duo auf die Spur bringen, ziemlich gut.

Die sicher schon 2001 eher als retro angesehenen Zeichnungen von Bryan Talbot, im „Sandman“-Universum kein Unbekannter, passen gut zum Geschehen. Sie sind nicht notwendigerweise schön, erinnern durch ihren einfachen Strich und die flachen Farben eher an Comics aus den frühen 90er-Jahren und erzeugen eine sehr eigenwillige Stimmung. Es ist ein bisschen so, wie eine alte Verfilmung von „Sherlock Holmes“ im Dritten anzukucken. Das liegt nicht nur daran, dass die Jungs nicht müde werden, den Meisterdetektiv unaufhörlich zu erwähnen und etwas habe ich auch das Gefühl, dass genau dieser Retro-Charme auch beabsichtigt gewesen ist. Auch damals schon.

Es bleibt also festzuhalten, dass auch dieses neuerliche (wenn auch eigentlich schon reichlich alte) Abenteuer der Dead Boy Detectives gute Unterhaltung bietet. Mit seinen gerade mal 108 Seiten ist das eher ein Appetithäppchen für zwischendurch, fürwahr, aber bis das Duo (voraussichtlich) ebenfalls in Serienform bei Netflix durchstartet, kann man sich die Zeit bis dahin auch mit diesem Band prima vertreiben. Es ist bei „Dead Boy Detectives: Das Geheimnis der Unsterblichkeit“ so, wie bei so ziemlich jedem anderen „Sandman“-Comic auch: man langt immer wieder mal ins Regal, um wenigstens darin herumzublättern.

Cover des Comics Sandman - Dead Boy Detectives: Das Geheimnis der Unsterblichkeit von Panini Comics.
Erscheinungsdatum
30. Januar 2024
Verlag
Panini Comics
Zeichnungen
Bryan Talbot
Inhalt
Ed Brubaker
Storys
Sandman Presents: The Dead Boy Detectives 1-4
Seiten
108
Unsere Wertung
3
Fazit
Es bleibt also festzuhalten, dass auch dieses neuerliche (wenn auch eigentlich schon reichlich alte) Abenteuer der Dead Boy Detectives gute Unterhaltung bietet. Mit seinen gerade mal 108 Seiten ist das eher ein Appetithäppchen für zwischendurch, fürwahr, aber bis das Duo (voraussichtlich) ebenfalls in Serienform bei Netflix durchstartet, kann man sich die Zeit bis dahin auch mit diesem Band prima vertreiben.
Pro
Weitere, unterhaltsame Lektüre, angesiedelt im "Sandman"-Universum mit den beiden toten Kinderdetektiven in der Hauptrolle
Kontra
Durch den Umfang einer Miniserie wird leider zu schnell klar, wie der Hase läuft und die Spannung leidet ein bisschen.
3
Wertung
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