Matthias Bischoff und Myrian Borutta von M/A/T stehen halb Rücken an Rücken. Beide tragen schwarze Kleidung, beide haben eine Sonnenbrille auf.

Musikvorstellung: M/A/T – Jupiter

Foto: Angelika Laskowski

Einer der ersten Beiträge dieses Jahres handelte von M/A/T, dem neuen Projekt des Hamburger Musikers, Produzenten, DJs und Musik-Promotors Matthias Bischoff. Und es erscheint mir konsequent, jetzt, wo sich das Jahr langsam dem Ende neigt und sich die Zahl der Tage, um noch einen Artikel herauszuhauen, aufbraucht, noch einmal zu M/A/T zurückzukehren.

In der Pause, in der im Hause Avalost aus Gründen spontaner Einstellung sämtlicher Bloggertätigkeit gar nichts passierte, veröffentlichte Matthias Bischoff die für den Spätsommer angekündigte Debüt-EP „Jupiter“ in eben jener Zeit des Jahres. Ich hatte es im Januar schon einmal kurz angerissen, möchte Euch aber noch einmal kurz ins Boot holen: Meine Arbeit als Blogger und Märchenonkel vom Dienst betreibe ich seit fast 25 Jahren. Weit mehr als zehn Jahre davon ist Matthias Bischoff mit seiner Promo-Bude Add On Music einer der Medienpartner, die diesen Blog (und auch diverse Vorgänger) mit neuen Themenvorschlägen versorgten. Will sagen: Nüscht als Arbeit hat man mit dem Bischoff! Das, liebe Leute, ist aber auch gut so.

Von Cyber zu M/A/T

Sehr viel länger als 25 Jahre ist Matthias Bischoff aber als Musiker unterwegs. Er ist Gründungsmitglied der ehemaligen Hamburger Synth-/Electro-Band Cyber, deren Gründungsjahr sich auf 1989 zurückdatieren lässt. Anfang der 90er-Jahre spielten sie ein paar Konzerte hier und da und landeten mit dem Track „Noise“ einen Hit in der damaligen EBM-/Synth-Pop-Szene. Damals mit am Start war auch Myriam Borutta, die dem Projekt seinerzeit schon ihre Stimme geliehen hatte. Und das, hört, hört, im Jahre 2022 wieder getan hat.

Wenn sich also ein paar der ehemaligen Cybers wieder zusammentun, um Musik zu produzieren, dann kann voller Überzeugung davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Akteure nicht neuerdings in Rap, Pop oder Polka unterwegs sind. Es ist, das darf man wohl so sagen, auch noch 2022 Synthesizer-Tanzmusik drin, wo M/A/T (anstatt Cyber) angeschrieben steht. Das, liebe Leute, ist schon wieder gut so.

Ich will mal so sagen: Wessen Herz sich für die Mucke erwärmen lässt, die dereinst von Robert Görl und Gabi Delgado in aller deutsch-amerikanischen Freundschaft in die Welt entlassen wurde, begeistert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für die analogen, minimalistischen und weitgehend instrumentalen Songs alter Schule, wie sie Matthias Bischoff hier präsentiert.

„Jupiter“ als Metapher für die Unerreichbarkeit von Zielen

„Jupiter“, so heißt es, sei eine Art Metapher und stünde für die momentane Unerreichbarkeit von bestimmten Zielen. Ich denke, spätestens nach rund zwei Jahren Pandemie können wir alle ein Liedchen davon singen, wie es sich anfühlt, seinen Zielen am fernen Horizont allenfalls mal zuwinken zu können.

Den Job des Türöffners übernimmt das Stück „Das Fundament“, Auftritt Myriam Borutta inklusive. Und mehr minimalistisch geprägt, an den EBM-Sound längst vergangener Tage erinnernd, geht eigentlich kaum. Während das Duo Textzeilen wie „Das Fundament, ein Augenblick, in Zeit und Raum, ein Lebenstraum …“ ins Mikrofon raunt, wobbeln Sounds durch den Raum, die Kopfhörer oder über die Tanzfläche, die schon zuvor beschriebene Assoziationen an DAF wecken. Voll gut! Es überrascht daher wohl nicht, dass diese Nummer bis auf Platz 3 der Deutschen Alternative Charts kletterte.

Das nachfolgende „Liaison“ ist instrumental, gleichwohl geringfügig verspielter, aber bleibt konsequent auf der scheinbar im Storyboard festgeschriebenen Linie, sich nicht unnötig mit überbordenden Melodieläufen oder sonstigem Schnickschnack aufzuhalten.

Neu und doch vertraut

„Nueva Esperanza“ war das erste Lebenszeichen des noch jungen Projekts aus dem Hause Bischoff, einmal mehr inklusive der Stimme von Myriam Borutta. Getragen von der Hoffnung auf Veränderungen in dieser unseren vielfältigen und gleichzeitig einsam machenden, digitalen Welt, war (und ist) diese Nummer eine, die aufhorchen lässt. Direkt von Anfang an stellt sich eine wohlige Vertrautheit ein. Irgendwie alles schon mal da gewesen, vielleicht vergessen, verdrängt oder was weiß ich, und durch die pfiffigen Arrangements zu einer Melange angerührt, die neu und doch gewohnt wirkt. Ein wenig so, als würde man eine Wohnung betreten, in die man noch nie zuvor einen Fuß gesetzt hat, die aber zufällig der eigenen sehr ähnlich ist. Sei es durch den Schnitt, die Einrichtung oder was auch immer. Kennste noch nicht, fühlst dich aber doch direkt heimisch. So ist das auch bei diesem Lied.

Der Titeltrack „Jupiter“ ist wieder rein instrumental, eine treibende, pulsierende Synthie-Nummer, die ganz schön viel 80er-Jahre-Zeitgeist verströmt. Die im Pressetext genannte Selbstbeschreibung verspricht den Soundtrack für einen Science-Fiction-Film, der noch nicht gedreht wurde. Den Gedanken mal weitergesponnen, könnte dieser Film einer dieser zahlreichen, früheren Direct-to-VHS-Veröffentlichungen sein. (Für jüngeren Leser*Innen: Vor Netflix, Disney+ und Co. gab es diese Dinger, diese Scheiben da, Blu-Rays genannt. Und davor DVDs. Und noch weiter davor Videokassetten. Das war ungefähr kurz nach der Eiszeit und es sind diese klobigen, schwarzen Plastikziegel mit VHS gemeint.) Das Lied versprüht jedenfalls einen Charme, dem man sich nur schwerlich widersetzen kann. Braucht man aber eigentlich auch gar nicht zu probieren.

So. Was bleibt noch zu sagen, außer? Für eine Debüt-EP ist „Jupiter“ dem Projekt M/A/T ganz hervorragend gelungen? Eigentlich nüscht. Aber da ich gerne rede (lies: schreibe), hole ich noch einmal kurz aus. Man merkt „Jupiter“ an, dass Matthias Bischoff nicht nur selbst schon lange Musik macht, sondern durch seine Tätigkeit als DJ und Promoter auch permanent mit neuen Einflüssen konfrontiert wird. Will sagen: es schallen die Wellen eines Fachmanns in den Äther. Ferner ist es auch eine große Kunst, Dinge minimalistisch zu gestalten. Immer noch mehr an eine Sache dranzuklatschen, das ist keine Kunst. Zu wissen, wann man gerade so viele Zutaten beigemengt hat, um das Wesen eines Songs getroffen zu haben, das hingegen ist eine große Kunst. Vergleicht „Jupiter“ mal mit modernen Produktionen in der Pop-Musik. Viel zu oft scheint „viel hilft viel“ als Motto zu gelten. Dabei ist weniger sooo oft mehr. M/A/T hat mit „Jupiter“ einen weiteren Beweis für diese Vermutung geliefert.

An die Fans von düster-elektronischer Minimalmusik: You should buy this.

Cover der EP Jupiter von M/A/T.
Erscheinungsdatum
2. September 2022
Band/Künstler*in
M/A/T
Album
Jupiter
Label
recordJet
Unsere Wertung
3.5
Fazit
Man merkt „Jupiter“ an, dass Matthias Bischoff nicht nur selbst schon lange Musik macht, sondern durch seine Tätigkeit als DJ und Promoter auch permanent mit neuen Einflüssen konfrontiert wird. Will sagen: es schallen die Wellen eines Fachmanns in den Äther. Ferner ist es auch eine große Kunst, Dinge minimalistisch zu gestalten. Immer noch mehr an eine Sache dranzuklatschen, das ist keine Kunst. Zu wissen, wann man gerade so viele Zutaten beigemengt hat, um das Wesen eines Songs getroffen zu haben, das hingegen ist eine große Kunst. Vergleicht „Jupiter“ mal mit modernen Produktionen in der Pop-Musik. Viel zu oft scheint „viel hilft viel“ als Motto zu gelten. Dabei ist weniger sooo oft mehr. M/A/T hat mit „Jupiter“ einen weiteren Beweis für diese Vermutung geliefert.
Pro
Wunderbar minimalistisch, auf das Wesentliche reduzierte Mucke
Erinnert immer wieder mal an das Tun von Szene-Größen wie DAF
Eine Debüt-EP, aber hör- und spürbar nicht das Werk eines Anfängers
Kontra
3.5
Wertung
Vorheriger Artikel

Hans Zimmer veröffentlicht neues Album „Hans Zimmer Live“ im März 2023

Nächster Artikel

Fever Ray kündigt neues Album für März 2023 an, erste Auskopplung „Carbon Dioxide“ bereits veröffentlicht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lies als nächstes